Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
müssen hier bei den Gefangenen bleiben. Wir brauchen drei Anführer, einen zu den Obeïde, einen zu den Abu Hammed und einen zu den Dschowari. Die Scheiks der Abu Mohammed und der Alabeïde sind bereit; es fehlt uns der dritte. Willst du es sein?«
»Ich will.«
»Wohin willst du gehen?«
»Wohin gehen die andern?«
»Sie wollen dir die erste Wahl überlassen.«
»So gehe ich zu den Abu Hammed, weil ich bereits einmal bei ihnen gewesen bin. Wann sollen wir aufbrechen?«
»Morgen. Wie viele Männer willst du mit dir nehmen?«
»Vierzig Mann von den Abu Hammed und sechzig von deinen Haddedihn. Auch Halef Omar nehme ich mit.«
»So suche sie dir heraus. Werden die Abu Hammed bewaffnet sein müssen?«
»Nein, denn dies wäre ein großer Fehler. Seid ihr mit den Scheiks der Besiegten bereits einig geworden?«
»Nein. Das wird bis zum letzten Gebete heute geschehen.«
»Behalte die angesehenen Krieger hier und schicke nur die gewöhnlichen Männer mit uns fort; diese sind zum Treiben der Herden gut genug.«
Ich ging, um mir meine Leute auszuwählen; dabei traf ich auf Lindsay.
»Gefragt, Sir?« redete er mich an.
»Noch nicht.«
»Warum nicht?«
»Ist nicht nötig, denn ich habe den Scheiks Auftrag gegeben, nachzuforschen.«
»Herrlich! Prächtig! Scheiks wissen alles! Werde Ruinen finden!«
»Ich denke es! Wollt Ihr einen interessanten Ritt mitmachen?«
»Wohin?«
»Bis unterhalb von El Fattha, wo der Tigris durch die Hamrinberge geht.«
»Was dort?«
»Die Kriegsentschädigung holen, welche in Herden besteht.«
»Bei wem?«
»Bei dem Stamme Abu Hammed, der uns damals unsere Pferde raubte.«
»Köstlich, Sir! Bin dabei! Wie viele Männer mit?«
»Hundert.«
»Gut! Prächtig! Imposanter Zug. Ruinen dort?«
»Mehrere Gräberhügel, aber am linken Ufer.«
»Kommen nicht hinüber?«
»Nein.«
»Schade! Jammerschade! Könnten nachsuchen! Fowling-bulls finden!«
»Wir werden trotzdem etwas Ausgezeichnetes finden.«
»Was?«
»Etwas Leckeres, das wir lange entbehrt haben, nämlich Trüffeln.«
»Trüffeln? Oh! Ah!«
Er sperrte den Mund so weit auf, als ob er eine ganze Trüffelpastete auf einmal verspeisen wolle.
»Sie wachsen in Haufen in jener Gegend, und ich habe erfahren, daß damit ein nicht unbedeutender Handel nach Bagdad, Basra, Kerkuk und Sulimaniah getrieben wird. Sogar bis Kirmanschah sollen sie gehen.«
»Gehe mit, Sir, gehe mit! Trüffeln! Hm! Prachtvoll!«
Damit verschwand er, um seinen beiden Dienern die große Neuigkeit mitzuteilen; ich aber ging, um meine Leute herauszusuchen.
Bis zum Abend sahen sich die drei besiegten Scheiks wirklich gezwungen, auf alle Forderungen der Sieger einzugehen, und nun begann ein Freudenfest, infolgedessen mancher feiste Hammel sein Leben lassen mußte. Mitten in diesem Jubel lag ich unter duftenden Blüten, umklungen von tausend Stimmen und doch allein mit meinen Gedanken. Vor vielen Jahrhunderten hatten hier die Doryphoren ihre gefürchteten Speere geschwungen. Hier hatte vielleicht auch das Zelt des Holofernes gestanden, aus Gold und Purpur gefertigt und mit Smaragden und Edelsteinen geschmückt. Und drüben auf den rauschenden Wellen des Flusses hatten die Fahrzeuge geankert, welche Herodot beschreibt:
»Die Boote sind von kreisrunder Form und aus Fellen gemacht. Sie werden in Armenien und in den Gegenden ober Assyrien gebaut. Die Rippen werden aus Weidenruten und Zweigen gemacht und sind außerhalb mit Fellen umgeben. Sie sind rund, wie ein Schild, und zwischen Vorderteil und Hinterteil ist kein Unterschied. Den Boden ihrer Schiffe kleiden die Schiffer mit Rohr oder Stroh aus, und Kaufmannsgüter, besonders Palmwein einnehmend, schwimmen sie den Fluß hinunter. Die Boote haben zwei Ruder; an jedem ist ein Mann. Der eine zieht auf sich zu, und der andere stößt von sich ab. Diese Schiffe haben verschiedene Maßverhältnisse; einige sind so groß, daß sie eine Last bis zum Werte von fünftausend Talenten tragen; die kleineren haben einen Esel an Bord; die größeren mehrere. Sobald die Bootsleute nach Babylon kommen, verfügen sie über die Waren und Güter und bieten dann die Rippen und das Rohr des Floßes zum Verkaufe aus. Mit den Schläuchen beladen sie dann ihre Esel und gehen mit ihnen nach Armenien zurück, wo sie neue Fahrzeuge bauen.«
Trotz der Jahrhunderte sind sich diese Fahrzeuge gleich geblieben; aber die Völker, welche hier lebten, sind verschwunden. Wie wird es sein, wenn abermals eine solche Zeit vergangen
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