Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
ist? – –
Am andern Vormittage brachen wir auf: ich mit Halef und einem Abu Hammed als Führer voran, die andern hinter mir. Den Nachtrab machte Sir David Lindsay.
Wir kamen zwischen den Kanuza- und Hamrinbergen hindurch und erblickten bald am linken Ufer Tell Hamlia, einen kleinen, künstlichen Hügel. Am rechten Ufer lag Kalaat el Dschebbar, »die Burg der Tyrannen«, eine Ruine, welche aus einigen verfallenen, runden Türmen besteht, die durch Wälle verbunden sind. Dann erreichten wir Tell Dahab, einen kleinen Hügel, welcher am linken Ufer des Flusses liegt, und bei Brey el Bad, einem ziemlich steilen Felsen, machten wir Halt, um das Mittagsmahl einzunehmen. Gegen Abend gelangten wir nach El Fattha, wo sich der Fluß einen fünfzig Ellen breiten Weg durch die Hamrinberge zwingt, und als wir diese Enge überwunden hatten, schlugen wir das Nachtlager auf. Die Abu Hammed waren unbewaffnet, aber ich teilte die Haddedihn doch in zwei Hälften, welche abwechselnd zu wachen hatten, damit keiner der Gefangenen entfliehen solle. Wäre es nur einem einzigen gelungen, so hätte er seinem Stamme unsere Ankunft verraten, und die besten Tiere wären dann geflüchtet oder versteckt worden.
Mit Tagesgrauen brachen wir wieder auf. Der Fluß war breit und bildete viele Inseln. An dem linken Ufer zogen sich niedrige Hügel hin, am rechten aber lag die Ebene offen vor uns, und hier sollten sich längs des Flusses die Abu Hammed gelagert haben.
»Habt ihr einen Weideplatz oder mehrere?« fragte ich den Führer.
»Nur einen.«
Ich sah es ihm an, daß er mir die Unwahrheit sagte.
»Du lügst!«
»Ich lüge nicht, Emir!«
»Nun gut. Ich will mir Mühe geben, dir zu glauben; aber wenn ich bemerke, daß du mich täuschest, so jage ich dir eine Kugel durch den Kopf!«
»Das wirst du nicht thun!«
»Ich thue es!«
»Du thust es nicht, denn ich sage dir, daß wir vielleicht zwei Plätze haben.«
»Vielleicht?«
»Oder gewiß; also zwei.«
»Oder drei!«
»Nur zwei!«
»Gut. Wenn ich aber drei finde, so bist du verloren!«
»Verzeihe, Emir! Sie könnten ja unterdessen noch einen gefunden haben. Dann sind es drei.«
»Ah! Vielleicht sind es vier?«
»Du wirst noch zehn haben wollen!«
»Du bist ein Abu Hammed und willst nicht gern verlieren, was du zusammengeraubt hast. Ich werde nicht weiter in dich dringen.«
»Wir haben vier, Emir,« sagte er ängstlich.
»Gut. Schweige nun, denn ich werde mich selbst überzeugen!«
Ich hatte unterdessen den Horizont mit meinem Rohre abgesucht und in der Ferne einige bewegliche Punkte entdeckt. Ich rief denjenigen Haddedihn herbei, welcher die Leute unter mir befehligte. Er war ein wackerer und entschlossener Krieger, den ich für vollständig zuverlässig hielt.
»Wir haben vierzig Abu Hammed bei uns. Glaubst du, sie mit dreißig unserer Leute sicher bewachen zu können?«
»Mit zehn, Emir. Sie haben ja keine Waffen!«
»Ich werde jetzt mit Hadschi Halef Omar vorwärts reiten, um Kunde einzuziehen. Wenn die Sonne gerade über jenem Strauche steht und ich bin nicht zurück, so sendest du mir dreißig Haddedihn nach, welche mich suchen müssen!«
Ich rief dem Engländer, und er kam mit seinen beiden Dienern heran. Ich sagte ihm:
»Ich habe Euch einen sehr wichtigen Posten anzuvertrauen.«
» Well! « antwortete er.
»Ich werde jetzt einmal voranreiten, um zu sehen, wie weit sich die Weideplätze der Abu Hammed ausdehnen. Bin ich in zwei Stunden noch nicht zurück, so kommen mir dreißig Mann der Unseren nach.«
»Ich mit?«
»Nein. Ihr bleibt bei den übrigen zurück, um die Gefangenen zu bewachen. Wenn einer Miene macht, zu entfliehen, so schießt Ihr ihn nieder.«
» Yes! Wenn einer flieht, schieße alle nieder.«
»Gut, aber mehr nicht!«
» No. Aber Sir, wenn mit den Abu Hammed reden, dann einmal fragen!«
»Was?«
»Nach Ruinen und Fowling-bulls.«
»Gut. Vorwärts, Halef!«
Wir galoppierten über die Ebene hin und grad auf die Punkte zu, welche ich gesehen hatte. Es war eine weidende Schafherde, bei welcher ein alter Mann stand.
»Sallam aaleïkum!« grüßte ich ihn.
»Aaleïkum!« antwortete er, sich tief verneigend.
»Ist Friede auf deiner Weide?«
»Es ist Friede da, o Herr. Bringst du auch Frieden?«
»Ich bringe ihn. Du gehörst zum Stamme der Abu Hammed?«
»Du sagst es.«
»Wo ist euer Lager?«
»Da unten hinter der Krümmung des Flusses.«
»Habt ihr mehrere Weideplätze?«
»Warum fragst du, o Herr?«
»Weil ich eine Botschaft an alle
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