Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
Miralai Omar Amed.«
»Gut; sage Halef, daß er satteln möge!«
Ich kehrte in das Selamlük zurück, wo vor Mohammed Emin und einigen der zufällig anwesenden bedeutenderen Dorfbewohner das Verhör bereits begonnen hatte.
»Seit wann lagst du im Busche?« fragte der Bey.
»Seit dieser Mann hier badete.«
»Dieser Mann ist ein Emir; merke dir das! Du bist kein Dassini und auch kein Dschesidi. Wie heißt du?«
»Das sage ich nicht!«
»Warum nicht?«
»Ich habe eine Blutrache da droben in den kurdischen Bergen; ich muß verschweigen, wer ich bin und wie ich heiße.«
»Seit wann hat ein Kol Agassi mit der Blutrache der freien Kurden zu thun?« fragte ich ihn.
Er wurde noch bleicher als vorhin am Bache.
»Kol Agassi? Was meinest du?« fragte er dennoch beherzt.
»Ich meine, daß ich Nasir Agassi, den Vertrauten vom Miralai Omar Amed, so genau kenne, daß ich mich nicht täuschen lasse.«
»Du – du – – du kennst mich? Wallahi, so bin ich verloren; das ist mein Verhängnis!«
»Nein; es ist dein Kismet nicht. Gestehe aufrichtig, was du hier thatest, so wird dir vielleicht nichts geschehen!«
»Ich habe nichts zu sagen.«
»Dann bist du verl– – –«
Ich unterbrach den zornigen Bey mit einer schnellen Handbewegung und wandte mich wieder zu dem Gefangenen.
»Ist das von der Blutrache die Wahrheit?«
»Ja, Emir!«
»So sei ein anderes Mal vorsichtiger. Wenn du mir versprichst, unverweilt nach Mossul zurückzukehren und die Rache für jetzt aufzuschieben, so bist du frei.«
»Effendi!« rief da der Bey erschrocken. »Bedenke doch, daß wir ja – –«
»Ich weiß, was du sagen willst,« unterbrach ich ihn abermals. »Dieser Mann ist ein Stabsoffizier des Mutessarif, ein Kol Agassi, aus dem einst vielleicht ein General werden kann, und du lebst mit dem Mutessarif in Freundschaft und in tiefstem Frieden. Es thut mir jetzt leid, diesen Offizier belästigt zu haben, was gar nicht geschehen wäre, wenn ich ihn sofort gekannt hätte. – Du versprichst mir also, unverweilt nach Mossul zurückzukehren?«
»Ich verspreche es.«
»Betrifft diese Rache einen Dschesidi?«
»Nein.«
»So gehe, und Allah behüte dich, daß die Rache nicht gefährlich für dich selbst wird!«
Er stand ganz erstaunt. Noch vor einem Augenblick hatte er den gewissen Tod vor sich gesehen, und jetzt sah er sich frei. Er faßte meine Hand und rief:
»Emir, ich danke dir! Allah segne dich und alle die Deinen!«
Dann war er in größter Eile zur Thür hinaus. Er mochte befürchten, daß wir unsere Großmut noch bereuen könnten.
»Was hast du gethan!« sagte Ali Bey mehr erzürnt als erstaunt.
»Das Beste, was ich thun konnte,« antwortete ich.
»Das Beste? Dieser Mensch ist ein Spion!«
»Das ist richtig.«
»Und hatte den Tod verdient!«
»Das ist richtig.«
»Und du schenktest ihm die Freiheit! Zwangst ihn nicht zum Geständnis!«
Auch die andern Dschesidi schauten finster drein. Ich ließ mich dies nicht anfechten und antwortete:
»Was hättest du durch sein Geständnis erfahren?«
»Vielleicht viel!«
»Nicht mehr, als wir bereits wissen. Und übrigens schien er der Mann zu sein, der lieber stirbt als gesteht.«
»So hätten wir ihn getötet!«
»Und was wäre die Folge davon gewesen?«
»Daß es einen Spion weniger gegeben hätte!«
»O, die Folgen wären noch ganz andere gewesen. Der Kol Agassi war jedenfalls abgeschickt, sich zu überzeugen, ob wir eine Ahnung von dem beabsichtigten Überfalle haben. Töteten wir ihn, oder hielten wir ihn gefangen, so kehrte er nicht zurück, und man hätte gewußt, daß wir bereits gewarnt sind. Nun aber hat er seine Freiheit wieder erhalten, und der Miralai Omar Amed wird als ganz sicher annehmen, daß wir nicht das geringste von dem Anschlage des Mutessarif ahnen. Es würde doch die allergrößte Dummheit sein, einen Spion zu entlassen, wenn man überzeugt ist, daß man überfallen werden soll – so werden sie sich sagen. Habe ich recht?«
Der Bey umarmte mich.
»Verzeih, Emir! Meine Gedanken reichten nicht so weit wie die deinigen. Aber ich werde ihm einen Späher nachsenden, um mich zu überzeugen, daß er auch wirklich fortgeht.«
»Auch dies wirst du nicht thun.«
»Warum nicht?«
»Er könnte grad dadurch auf das aufmerksam werden, was wir ihm durch seine Freilassung verborgen haben. Er wird sich hüten, hier zu bleiben, und übrigens kommen jetzt genug Leute an, bei denen du dich erkundigen kannst, ob sie ihm begegnet sind.«
Auch hier drang ich
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