Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
schmal, daß nur zwei Männer neben einander gehen können. Wenn du dort eine Schanze machst, so kannst du mit zwanzig Kriegern tausend Türken töten.«
»Ich werde es thun. Aber was giebst du mir dafür?«
»Wenn du nicht zum Kampfe kommst, so daß ich sie allein besiege, sollst du fünfzig Gewehre erhalten; hast du aber mit ihnen zu kämpfen, so gebe ich dir hundert Türkenflinten, wenn du dich tapfer hältst.«
»Hundert Türkenflinten!« rief der Häuptling begeistert. Er fuhr mit größter Eile in den Honig und steckte sich ein solches Stück davon in den Mund, daß ich glaubte, es müsse ihn erwürgen. »Hundert Türkenflinten!« wiederholte er kauend. »Wirst du Wort halten?«
»Habe ich dich bereits einmal belogen?«
»Nein. Du bist mein Bruder, mein Gefährte, mein Freund, mein Kampfgenosse, und ich glaube dir. Ich werde mir die Gewehre verdienen!«
»Du kannst sie dir aber nur dann verdienen, wenn du die Türken bei ihrem Kommen ungestört ziehen lässest.«
»Sie sollen keinen von meinen Männern sehen!«
»Und sie dann hinderst, zurückzukehren, wenn es mir nicht gelingen sollte, sie zu umzingeln und festzuhalten.«
»Ich werde nicht nur den Paß, sondern auch die Seitenthäler besetzen, damit sie weder rechts noch links, weder vor- noch rückwärts können!«
»Daran thust du wohl. Doch will ich nicht haben, daß viel Blut vergossen werde. Die Soldaten können nichts dafür, sie müssen dem Gouverneur gehorchen; und wenn wir grausam sind, so ist der Padischah zu Stambul mächtig genug, ein großes Heer zu senden, welches uns vernichten kann.«
»Ich verstehe dich. Ein guter Feldherr muß Gewalt und auch List anzuwenden verstehen. Dann kann er mit einem kleinen Gefolge ein großes Heer besiegen. Wann werden die Türken kommen?«
»Sie werden es so einrichten, daß sie beim Anbruche des morgenden Tages Scheik Adi überfallen können.«
»Die Überrumpelung sollen sie selbst haben. Ich weiß, daß du ein tapferer Krieger bist. Du wirst es den Türken ganz ebenso machen, wie es da unten in der Ebene die Haddedihn-Schammar ihren Feinden gemacht haben.«
»Du hast davon gehört?«
»Wer sollte dies nicht wissen? Die Kunde von solchen Heldenthaten verbreitet sich schnell über Berg und Thal. Mohammed Emin hat seinen Tribus zum reichsten Stamm gemacht.«
Ali Bey lächelte mir heimlich zu und meinte dann:
»Es ist eine schöne That, Tausende gefangen zu nehmen, ohne daß ein Kampf stattfindet.«
»Diese That wäre Mohammed Emin nicht gelungen. Er ist stark und tapfer; aber er hat einen fremden Feldherrn bei sich gehabt.«
»Einen fremden?« fragte der schlaue Bey.
Ihn ärgerte jedenfalls die Nichtbeachtung, die mir von seiten des Häuptlings widerfahren war, und er ergriff nun die Gelegenheit, ihn zu beschämen. Dabei konnte es natürlich auf ein Übermaß von Lob gar nicht ankommen.
»Ja, einen fremden,« antwortete der Häuptling. »Weißt du das noch nicht?«
»Erzähle es!«
Und der Kurde that es in folgender Weise:
»»Mohammed Emin, der Scheik der Haddedihn, saß vor seinem Zelte, um Rat zu halten mit den Ältesten seines Stammes. Da that sich eine Wolke auf, und ein Reiter kam herab, dessen Pferd grad mitten im Kreise der Alten die Erde berührte.
»Sallam aaleïkum!« grüßte er.
»Aaleïkum sallah!« antwortete Mohammed Emin. »Fremdling, wer bist du, und woher kommst du?«
Das Pferd des Reiters war schwarz wie die Nacht; er selber aber trug ein Panzerhemd, Arm- und Beinschienen und einen Helm aus gediegenem Golde. Um seinen Helm war ein Shawl gewunden, den die Houri des Paradieses gewebt hatten; denn tausend lebendige Sterne kreiseten in seinen Maschen. Der Schaft seiner Lanze war von reinem Silber; ihre Spitze leuchtete wie der Strahl des Blitzes, und unter derselben waren die Bärte von hundert erlegten Feinden befestigt. Sein Dolch funkelte wie Diamant, und sein Schwert konnte Stahl und Eisen zermalmen.
»Ich bin der Feldherr eines fernen Landes,« antwortete der Glänzende. »Ich liebe dich und hörte vor einer Stunde, daß dein Stamm ausgerottet werden soll. Darum setzte ich mich auf mein Roß, welches zu fliegen vermag, wie der Gedanke des Menschen, und eilte herbei, dich zu warnen.«
»Wer ist es, der meinen Stamm ausrotten will?« fragte Mohammed.
Der Himmlische nannte die Namen der Feinde.
»Weißt du dies gewiß?«
»Mein Schild sagt mir alles, was auf Erden geschieht. Blicke her!«
Mohammed sah auf den goldenen Schild. In der Mitte desselben war ein
Weitere Kostenlose Bücher