Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
Offizieren die Bastonnade erlassen hat und die Freundschaft des Mutessarif erlangte?«
»Ich bin es.«
»So warte ein wenig, Herr! Der Kaimakam wird gleich kommen.«
Es währte wirklich nur kurze Zeit, so trat der Kaimakam drüben aus dem Tempel und kam auf das Haus zu. Nur der Makredsch begleitete ihn.
»Halef, öffne ihnen, und führe sie in die Stube. Die Thür schließest Du wieder, und dann kehrst Du hieher zurück. Sollte sich ein Unberufener dem Hause nähern, so schießest Du auf ihn!«
Ich ging hinab. Die beiden Männer traten ein. Sie waren hohe Beamte; das durfte mich jedoch nicht kümmern; ich empfing sie daher in sehr gemessener Haltung und winkte ihnen nur, sich niederzulassen. Als sie dies gethan hatten, frug ich, ohne sie besonders willkommen zu heißen:
»Mein Diener hat Euch eingelassen. Hat er Euch gesagt, wie man mich zu nennen hat?«
»Nein.«
»Man nennt mich hier Hadschi Emir Kara Ben Nemsi. Wer Ihr seid, weiß ich. Was habt Ihr mir zu sagen?«
»Du bist ein Hadschi?« frug der Makredsch.
»Ja.«
»Du warst also in Mekka?«
»Ja. Siehst Du nicht den Kuran an meinem Halse hangen und das kleine Fläschchen mit dem Wasser des Zem-Zem?«
»Wir glaubten, Du seist ein Giaur!«
»Seid Ihr gekommen, mir dies zu sagen?«
»Nein. Wir bitten Dich, in unserem Auftrage zu Ali Bey zu gehen.«
»Werdet Ihr mir sicheres Geleite geben?«
»Ja.«
»Mir und meinen Dienern?«
»Ja.«
»Was soll ich ihm sagen?«
»Daß er die Waffen strecken und zum Gehorsam gegen den Mutessarif zurückkehren möge.«
»Und dann?« frug ich, neugierig, was noch kommen werde.
»Dann soll die Buße, welche der Gouverneur über ihn verhängt, so gnädig wie möglich sein.«
»Du bist der Makredsch von Mossul, und dieser Mann ist Kaimakam und Befehlshaber der Truppen, welche hier stehen. Er ist es, welcher mir seine Aufträge zu ertheilen hat, nicht aber Du.«
»Ich bin bei ihm als Beauftragter des Mutessarif.«
Der Mann mit der Stößerphysiognomie warf sich bei diesen Worten so viel wie möglich in die Brust.
»Hast Du schriftliche Vollmacht?«
»Nein.«
»So giltst Du hier so wenig wie jeder Andere!«
»Der Kaimakam wird es mir bezeugen!«
»Nur eine schriftliche Vollmacht kann Dich legitimiren, sonst nichts. Geh und hole Dir dieselbe. Der Mutessarif von Mossul wird nur einem Manne von Kenntnissen erlauben, ihn zu vertreten.«
»Willst Du mich beleidigen?«
»Nein. Ich will nur bestätigen, daß Du kein Offizier bist, von militärischen Dingen nichts verstehst und hier also schweigst.«
»Emir!« rief er, indem er mir einen wüthenden Blick zuwarf.
»Soll ich Dir die Wahrheit meiner Worte beweisen? Ihr seid so eingeschlossen, daß kein Einziger von Euch entkommen kann; es bedarf nur einer kleinen halben Stunde, so seid Ihr hilflos in die Erde hineingeschossen. Und bei einem solchen Stande der Dinge soll ich dem Bey sagen, daß er die Waffen strecken soll? Er würde mich für wahnsinnig halten. Der Miralai, dem Allah gnädig und barmherzig sein möge, hat fünfzehnhundert wackere Krieger durch seine Unvorsichtigkeit in das Verderben geführt. Dem Kaimakam fällt die ehrenvolle Aufgabe zu, sie diesem Verderben zu entreißen; wenn ihm dies gelingt, so hat er wie ein guter Offizier und wie ein Held gehandelt. Mit hochtrabenden Worten aber, hinter denen Furcht und Heimtücke lauern, wird es ihm nicht gelingen. Ich habe nur mit ihm zu reden. In militärischen Angelegenheiten soll nur ein Krieger zu bestimmen haben.«
»Und doch sollst Du auch mich anhören!«
»Ich wüßte nicht, worin!«
»Es sind auch Dinge zu verhandeln, welche das Gesetz betreffen, und ich bin ein Makredsch!«
»Sei, was Du willst! Du kannst mir keine Vollmacht zeigen, und darum sind wir mit einander fertig!«
Ich hatte einen entschiedenen Widerwillen gegen diesen Menschen, aber es wäre mir nicht eingefallen, demselben einen so kräftigen Ausdruck zu geben, wenn er anders aufgetreten wäre und ich nicht eine sehr deutliche Ahnung gehabt hätte, daß er die meiste Schuld an den gegenwärtigen Verhältnissen trage. Warum hatte sich dieser Gerichtsmensch überhaupt der Expedition angeschlossen? Doch wohl nur, um den Dschesidi nach ihrer etwaigen Überwindung auf dem Wege des moslemitischen Gesetzes die Übermacht der Osmanly fühlbarer zu machen.
Ich wandte mich nun an den Kaimakam:
»Was soll ich dem Bey sagen, wenn er mich fragt, warum Ihr Scheik Adi überfallen habt?«
»Weil wir uns zwei Mörder holen wollen, und weil die
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