Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
er hat Schriften vom Onsul, vom Großherrn, vom Mutessarif und hat auch das Recht auf den Disch-parassi; das gilt noch mehr. Dieser Letztere wird hier bei mir wohnen; für den Anderen aber werde ich eine Schlafstätte in einem andern Hause bereiten lassen. Der Eine wird Alles umsonst erhalten; der Andere aber wird Alles bezahlen.«
»Das leide ich nicht!« klang die Stimme des Arnauten. »Was dem Einen geschieht, das wird dem Andern auch geschehen!«
»Höre, ich bin hier Nezanum und Gebieter; was ich sage, das gilt, und kein Fremder hat mir Vorschriften zu machen. Söjle-dim – ich habe gesprochen!«
Jetzt öffnete ich die Thür und trat mit Mohammed Emin ein.
»Ivari ‘l kher – guten Abend!« grüßte ich. »Du bist der Herr von Spandareh?«
»Ich bin es.«
Ich deutete auf den Buluk Emini.
»Dieser Mann ist mein Diener. Ich habe ihn zu Dir gesandt, um mir Deine Gastfreundschaft zu erbitten. Was hast Du beschlossen?«
»Du bist der, welcher unter dem Schutze des Großherrn steht und das Anrecht auf den Disch-parassi hat?«
»Ich bin es.«
»Und dieser Mann ist Dein Begleiter?«
»Mein Freund und Gefährte.«
»Habt Ihr viele Leute bei Euch?«
»Diesen Buluk Emini und noch einen Diener.«
»Ser sere men at – Ihr seid mir willkommen!« Er erhob sich von seinem Sitze und reichte uns die Hand entgegen. »Setzt Euch nieder an mein Feuer, und laßt es Euch in meinem Hause gefallen! Ihr sollt ein Zimmer bekommen, wie es Euer würdig ist. Wie hoch schätzest Du Deinen Disch-parassi?«
»Für uns Beide und den Diener sei er Dir geschenkt, aber diesem Baschi-Bozuk wirst Du fünf Piaster geben. Er ist der Beauftragte des Mutessarif, und ich habe nicht das Recht, ihm das Seinige zu entziehen.«
»Herr, Du bist nachsichtig und gütig; ich danke Dir! Es soll Dir nichts mangeln an dem, was zu Deinem Wohle gehört. Doch erlaube, daß ich mich eine kleine Weile mit diesem Khawassen entferne!«
Er meinte den Arnauten. Dieser hatte uns sehr finster zugehört; jetzt nun zürnte er:
»Ich gehe nicht fort; ich verlange das gleiche Recht für meinen Herrn!«
»So bleibe!« meinte der Nezanum einfach. »Wenn aber Dein Gebieter keine Wohnung findet, so ist es Deine Schuld.«
»Was sind diese beiden Männer, welche sagen, daß sie unter dem Schutze des Großherrn stehen? Araber sind es, welche in der Wüste rauben und stehlen und hier in den Bergen die Herren spielen – – –«
»Hadschi Halef!« rief ich laut.
Der kleine Diener trat ein.
»Halef, dieser Khawaß wagt es, uns zu schmähen; wenn er noch ein einziges Wort sagt, welches mir nicht gefällt, so gebe ich ihn in Deine Hand!«
Der Arnaut, der bis unter die Zähne bewaffnet war, blickte mit offenbarer Verachtung auf Halef herab.
»Vor diesem Zwerge soll ich mich fürchten, ich, der ich – –«
Er konnte nicht weiter sprechen, denn er lag bereits am Boden, und mein kleiner Hadschi kniete über ihm, in der Rechten den Dolch zückend und die Linke um seinen Hals klammernd.
»Soll ich, Sihdi?«
»Es ist einstweilen genug; aber sage ihm, daß er verloren ist, wenn er noch eine feindselige Miene macht!«
Halef ließ ihn los, und er erhob sich. Seine Augen blitzten in zorniger Tücke, aber er wagte doch nichts zu unternehmen.
»Komm!« gebot er dem Dorfältesten.
»Du willst Dir die Wohnung anweisen lassen?« frug dieser.
»Ja, einstweilen. Wenn aber mein Herr angekommen ist, dann werde ich ihn herbeisenden, und es wird sich entscheiden, wer in Deinem Hause schläft. Er wird auch richten zwischen mir und diesem Diener der beiden Araber!«
Sie gingen miteinander fort. Während der Abwesenheit des Nezanum leistete uns einer seiner Söhne Gesellschaft, und bald wurde uns gesagt, daß der Ort, an dem wir schlafen sollten, für uns bereitet sei.
Wir wurden in ein Gemach geführt, in welchem mittels Teppichen zwei weiche Lager bereitet waren; in der Mitte desselben aber hatte man das Abendessen servirt. Diese Schnelligkeit und das ganze Arrangement ließen vermuthen, daß der Dorfälteste nicht zu den armen Bewohnern des Ortes zählte. Sein Sohn saß bei uns, nahm aber nicht Theil am Mahle; es war dies eine Respektserweisung, auf welche wir uns etwas einbilden konnten. Die Frau und eine Tochter des Vorstehers bedienten uns.
Zunächst wurde uns Scherbet gereicht. Wir tranken ihn aus sehr hübschen Findschani ferfuri, hier in Kurdistan eine sehr große Seltenheit. Dann erhielten wir Valquapamasi, Weizenbrod in Honig gebraten, wozu der dazu gebotene
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