Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
Schwelle meiner Thüre.«
»Deine Güte rührt mich, oh Mersinah; ich kann sie nicht vergelten! Aber ich habe weder Hunger noch Durst, wenn ich den Glanz Deiner Augen, die Farbe Deiner Wangen und das liebliche Bild Deiner Hände erblicke. War Selim Agha da?«
»Ja. Er hat mir Alles erzählt. Deine Feinde sind vernichtet. Gehe hinauf und tröste die Deinen, die in großer Sorge um Dich sind!«
Ich ging hinauf.
»Endlich zurück!« meinte der Engländer. »Große Sorge! Wollten kommen und Euch holen! Glück, daß Ihr da seid!«
»Du warst in Gefahr?« frug auch Mohammed.
»Nicht sehr. Sie ist vorüber. Weißt Du, daß der Mutessarif abgesetzt ist?«
»Von Mossul?«
»Ja, und der Makredsch auch.«
»Also darum ist Selek da?«
»Ja. Hat er Dir nichts erzählt, als wir am Nachmittage ausgeritten waren?«
»Nein. Er ist schweigsam. Aber da kann doch Amad frei werden, denn nur der Mutessarif hat ihn gefangen gehalten!«
»Ich hoffte dies auch, aber es steht schlimmer. Der Großherr billigt das Vorgehen der Türken gegen Euch, und der Oberrichter von Anatolien hat befohlen, daß Dein Sohn als Geisel nach Stambul gebracht werde.«
»Allah kerihm! Wann soll er fort?«
»Morgen Vormittags.«
»Wir überfallen unterwegs seine Begleitung!«
»So lange wir noch Hoffnung haben, ihn durch List frei zu bekommen, so lange soll kein Menschenleben beschädigt werden.«
»Aber wir haben nur noch die Zeit von einer Nacht!«
»Diese Zeit ist lang genug.«
Dann wandte ich mich an den Engländer:
»Sir, ich brauche Wein für den Mutesselim.«
»Wäre Wein werth, dieser Kerl! Mag Wasser trinken! Kaffee, Lindenblüthen, Baldrian und Buttermilch!«
»Er hat mich um Wein gebeten!«
»Schlingel! Darf doch keinen trinken! Ist Mohammedaner!«
»Die Moslemin trinken ihn ebenso gern wie wir. Ich möchte uns sein Wohlwollen erhalten, so lange wir es brauchen.«
»Schön! Soll Wein haben! Wie viel?«
»Ein Dutzend. Ich gebe die Hälfte und Ihr die andere.«
»Pshaw! Kaufe nicht halben Wein. Hier Geld!«
Er reichte mir die Börse hin, ohne daß es ihm einfiel, zu bemerken, wie viel ich ihr entnahm. Er war ein Gentleman und ich ein armer Teufel.
»Wie ists?« frug er. »Retten wir Amad?«
»Ja.«
»Heute?«
»Ja.«
»Wie?«
»Ich gehe mit Selim Agha Wein trinken und suche – – –«
»Trinkt auch Wein?« unterbrach er mich.
»Leidenschaftlich.«
»Schöner Muselmann! Verdient Prügel!«
»Grad diese Geschmacksrichtung aber gibt uns Vortheile. Er wird einen Rausch bekommen, und dann nehme ich ihm unbemerkt den Gefängnißschlüssel fort. Ich lasse den Araber heraus zu seinem Vater, wo er sich umkleidet. Dann führt ihn Halef nach der Villa, die Ihr für ihn gebaut habt.«
»Well! Sehr schön! Was thue ich dabei?«
»Zunächst aufpassen. Wenn ich ihn bringe, so gebe ich da drüben an der Ecke ein Zeichen. Ich werde wie ein Rabe krächzen, der aus dem Schlafe gestört worden ist. Dann eilt Halef hinunter, um die Thüre zu öffnen und die Wirthin in der Küche festzuhalten. Ihr geht mit Mohammed an die Treppe und empfangt Amad, um ihn empor zu führen. Er zieht sich an, und Ihr wartet, bis ich nach Hause komme.«
»Ihr geht wieder fort?«
»Ja. Ich muß zu Selim Agha, um keinen Verdacht zu erregen und ihm den Schlüssel wieder zuzustecken.«
»Schwere Sache für Euch! Wenn Ihr nun ertappt werdet?«
»Ich habe eine Faust und, wenn das zu wenig sein sollte, auch Waffen. Jetzt aber laßt uns in Gemeinschaft zu Abend essen.«
Während des Mahles wurde auch Mohammed genau instruirt. Halef brachte den Wein und mußte ihn gut verpacken.
»Den trägst Du jetzt zum Mutesselim,« sagte ich ihm.
»Will er ihn trinken, Sihdi?« frug er erstaunt.
»Er soll ihn verwenden, wozu er ihn braucht. Du gibst das Packet an keinen andern Menschen als nur allein an ihn und sagst, daß ich hier die Medizin sende. Und höre! Wenn ich dann mit Selim Agha fortgehe, so gehest Du uns heimlich nach und merkst Dir das Haus, in welches wir treten, aber genau! Und sollte ich irgendwie gebraucht werden, so kommst Du, mich zu holen.«
»Wo werde ich Dich in dem Hause finden?«
»Du gehst im Flur von der Thüre aus ungefähr acht Schritte gradaus und pochest dann rechts an eine Thüre, hinter welcher ich mich befinde. Sollte der Wirth Dich sehen, der ein Jude ist, so sagest Du, daß Du den fremden Emir suchest, der aus dem Kruge trinkt. Verstehest Du?«
Er ging mit seinem Packete fort.
Mohammed Emin befand sich in einer unbeschreiblichen
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