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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Aufregung. Ich hatte ihn selbst damals, als es im Thale der Stufen galt, seine Feinde gefangen zu nehmen, nicht so gesehen. Er hatte alle seine Waffen angethan und auch die Flinte neu geladen. Ich konnte nicht darüber lächeln. Ein Vaterherz ist eine heilige Sache; ich hatte ja auch einen Vater daheim, der oft für mich der Sorgen und Entbehrungen genug getragen hatte, und konnte also das begreifen.
    Endlich kam Selim Agha von dem Mutesselim zurück. Er verzehrte in der Küche sein Abendbrod, und dann gingen wir heimlich zum Juden.
    Selim Agha hatte die Wirkung des starken Weines gestern zur Genüge kennen gelernt und nahm sich daher sehr in Acht. Er trank nur in kleinen Schlückchen und auch sehr langsam.
    Wir mochten bereits dreiviertel Stunden beim Weine sitzen, und noch immer zeigte derselbe keine andere Wirkung auf den Agha, als daß dieser stiller und träumerischer wurde und sich sinnend in seine Ecke lehnte. Schon stand ich im Begriff, ihn zum Austrinken zu nöthigen und zwei neue Krüge bringen zu lassen, als es draußen an die Thüre pochte.
    »Wer ist das?« frug der Agha.
    »Das muß Halef sein.«
    »Weiß er, wo wir sind?«
    »Ja.«
    »Effendi, was hast Du gethan!«
    »Aber er weiß nicht, was wir thun.«
    »Laß ihn nicht herein!«
    Wie gut, daß ich Halef aufmerksam gemacht hatte! Daß er kam, um mich zu holen, war mir Beweis, daß etwas Besonderes passirt sei. Ich öffnete von innen und trat hinaus auf den Flur.
    »Halef!«
    »Sihdi, bist Du es?«
    »Ja. Was ist’s?«
    »Der Mutesselim ist gekommen.«
    »Das ist schlimm; das kann uns das ganze Werk verderben. Gehe. Wir kommen gleich nach. Aber bleibe stets an der Thüre meines Zimmers, damit ich Dich sofort habe, wenn ich Dich brauche!«
    Ich trat wieder in den kleinen Raum zurück.
    »Selim Agha, es war Dein Glück, daß ich dem Hadschi sagte, wo wir sind. Der Mutesselim ist bei Dir und wartet auf Dich.«
    »Allah illa Allah! Komm schnell, Effendi! Was will er?«
    »Halef wußte es nicht.«
    »Es muß wichtig sein. Eile!«
    Wir ließen den Wein stehen und schritten mit schnellen Schritten unserer Wohnung zu.
    Als wir heim kamen, saß der Commandant auf meinem Ehrenplatze in meiner Stube, ließ sich von der rothen Papierlaterne magisch beleuchten und sog an meinem Nargileh. Er war, als er mich erblickte, so höflich, sich zu erheben.
    »Ah, Mutesselim, Du hier in meiner Wohnung! Allah segne Deinen Eintritt und lasse es Dir wohlgefallen an meiner Seite!«
    Im Stillen aber hatte ich allerdings einen nicht ganz mit dieser höflichen Phrase übereinstimmenden Wunsch.
    »Emir, verzeihe, daß ich zu Dir heraufstieg. Die Wirthin dieses Hauses, der Allah ein Gesicht gegeben hat wie keiner Zweiten, wies mich herauf. Ich wollte mit Selim Agha reden!«
    »So erlaube, daß ich mich wieder entferne!«
    Jetzt war er gezwungen, mich zum Hierbleiben aufzufordern, wenn er nicht ganz und gar gegen alle türkische Bildung verstoßen wollte.
    »Bleib, Emir, und setze Dich. Auch Selim Agha mag sich setzen; denn was ich von ihm verlange, das darfst Du wissen.«
    Jetzt mußten die Reservepfeifen her. Während des Anzündens beobachtete ich den Commandanten scharf. Das rothe Licht der Laterne ließ mich sein Gesicht nicht genau erkennen, aber seine Stimme schien mir jenen Klang zu besitzen, welcher dann zu hören ist, wenn die Zunge ihre gewöhnliche Leichtigkeit zu verlieren beginnt.
    »Was meinest Du, Effendi? Ist der Makredsch ein wichtiger Gefangener?«
    »Ich meine es.«
    »Ich auch. Darum macht mir der Gedanke, daß es ihm vielleicht gelingen könnte, zu entkommen, schwere Sorge.«
    »Er ist doch sicher eingeschlossen!«
    »Ja. Aber das ist nicht genug für mich. Selim Agha, ich werde diese Nacht nicht schlafen und zwei- oder dreimal nach dem Gefängnisse gehen, um mich zu überzeugen, daß er wirklich in seinem Loche ist.«
    »Herr, ich werde das an Deiner Stelle thun!«
    »Dann siehst Du ihn wohl, aber ich nicht, und ich kann dennoch nicht schlafen. Ich werde selbst gehen. Gib mir den Schlüssel!«
    »Weißt Du, Herr, daß Du mich kränkst?«
    »Ich will Dich nicht kränken, sondern ich will mich beruhigen. Der Anatoli Kasi Askeri ist ein sehr strenger Mann. Ich würde die seidene Schnur bekommen, wenn ich den Gefangenen entkommen ließe.«
    Da war ja die Ausführung unseres Planes ganz und gar unmöglich gemacht! Gab es keine Hilfe? Ich war schnell entschlossen. Entweder Wein oder Gewalt! Während der Agha seinem Vorgesetzten noch Vorstellungen machte, erhob ich

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