Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
begeistert, wenn man sie heiß genießt.«
»Sage mir ganz genau, Effendi, ob es Wein ist oder Medizin!«
»Dieser Trank ist die beste Medizin, die ich heute kenne. Trinke sie, und sage mir, ob sie nicht Deine Seele erfreut!«
Er kostete und kostete abermals. Über seine scharfen, aber matten Züge legte sich ein Schein der Verklärung.
»Hast Du selbst diesen Trank erfunden?«
»Nein, sondern Allah gibt ihn Denen, die er am liebsten hat.«
»So meinst Du, daß er uns lieb hat?«
»Gewiß.«
»Von Dir weiß ich es, daß Du ein Liebling des Propheten bist. Hast Du noch mehr von diesem Tranke?«
»Hier. Trinke aus!«
Ich schenkte wieder ein.
Seine Augen funkelten noch vergnügter als vorher.
»Effendi, was ist Ladakia, Djebeli und Tabak von Schiras gegen diese Arznei! Sie ist besser als der feinste Duft des Kaffees. Willst Du mir das Recept geben, wie sie bereitet wird?«
»Erinnere mich daran, so werde ich es aufschreiben, noch ehe ich Amadijah verlasse. Aber hier steht der Krug. Trinkt! Ich muß hinab zur Küche, um die andere Arznei zu bereiten.«
Ich ging mit Vorbedacht sehr leise zur Treppe hinab und öffnete unhörbar die Küchenthüre ein wenig. Richtig! Da stand die ›Myrte‹ vor meinem Topfe und schöpfte mit einer kleinen türkischen Kaffeetasse den jetzt bereits ziemlich heißen Wein unaufhaltsam zwischen ihre weit geöffneten Lippen, welche nach jeder Tasse mit einem herzlich schmatzenden Laute zusammenklappten.
»Mersinah, verbrenne Deine Zähne nicht!«
Sie fuhr erschrocken herum und ließ die Tasse fallen.
»O, Sihdi, es war ein Öremdschek in den Topf gelaufen, und den wollte ich wieder herausfischen!«
»Und diese Spinne hast Du Dir in den Mund gegossen?«
»Nein, Effendi sondern nur das Wenige, was an der Spinne hängen geblieben ist.«
»Gib mir den kleinen Topf von da unten herauf!«
»Hier, Emir!«
»Fülle ihn Dir mit diesem Tranke!«
»Für wen?«
»Für Dich.«
»Was ist es, Emir?«
»Es ist die Arznei, welche ein persischer Hekim erfunden hat, um das Alter wieder jung zu machen. Wer genug davon trinkt, dem ist die Seligkeit gegeben, und wer davon trinkt, ohne jemals aufzuhören, der hat das ewige Leben!«
Sie dankte mir in blühenden Ausdrücken, und ich trug das Übrige nach oben. Die beiden Trinker waren trotz ihres Rangunterschiedes sehr nahe zusammengerückt und schienen sich ganz angenehm unterhalten zu haben.
»Weißt Du, Effendi, worüber wir streiten?« frug mich der Commandant.
»Ich hörte es ja nicht!«
»Wir stritten, wessen System am meisten leiden muß, das seinige oder das meinige. Wer hat Recht?«
»Das will ich Euch sagen: Wem die Arznei die größte Hilfe bringt, dessen System hat am meisten gelitten.«
»Deine Weisheit ist zu groß, als daß wir sie begreifen könnten. Was hast Du in diesem Topfe?«
»Das ist Itschki itschkilerin, denn ihm kommt kein anderer gleich.«
»Und Du willst, daß wir ihn probiren sollen?«
»Wenn Du es wünschest, so schenke ich Dir davon ein.«
»Gib mir!«
»Mir auch, Effendi,« bat der Agha.
Sie hatten Beide bereits das, was der Spiro-Zoologe einen ›Käfer‹ zu nennen pflegt, ja, es schien bereits ein bedeutender Hirschkäfer zu sein, der alle Anlagen zeigte, sich nach und nach in einen bekannten Vierhänder zu verwandeln. Es war nur heißer Wein, ohne alles Gewürz, den sie jetzt kosteten, aber er brachte sie dem ›Seid umschlungen, Millionen!‹ sehr nahe; sie tranken bereits nur noch aus einem Glase, und der Mutesselim wischte sogar seinem Agha einmal den Bart ab, als einige Tropfen der herrlichen Arznei sich in den Wald desselben verlaufen hatten. Die dabei geführte Unterhaltung war diejenige zweier Personen, die im ›edlen Kampfe voller Humpen‹ noch vollständige Laien sind: närrisch und kauderwälsch. Selbst ich, der ich nur that, als ob ich trinke, wurde in Mitleidenschaft gezogen; denn der Mutesselim umarmte mich ein über das andere Mal, und der Agha hielt traulich seinen Arm um meinen Nacken geschlungen.
Da erhob sich einmal der Letztere, um eine neue Lampe für die rothe Laterne zu holen. Er kam ganz glücklich in die Höhe, dann aber streckte er die Arme zuckend aus und trillerte unsicher mit den Knieen wie Einer, der zum ersten Male Schlittschuhe läuft.
»Was ist Dir, Agha?« frug der Commandant.
»O, Herr, ich bekomme das Baldyr tschekmisch. Ich glaube, ich muß mich wieder setzen!«
»Setze Dich! Ich werde Dir helfen!«
»Kennst Du ein Mittel?«
»Ein sehr gutes. Setze
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