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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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der Küche herging. Es mußte der edlen ›Myrte‹ etwas widerfahren sein, was ihren Unmuth erweckt hatte. Unter den gegenwärtigen Umständen konnte das kleinste Ereigniß für mich Werth besitzen, und so trat ich ein. Mersinah hielt dem tapfern Agha eine Strafpredigt, das sah ich auf den ersten Blick. Sie stand mit drohend erhobenen Armen vor ihm, und er hielt die Augen niedergeschlagen wie ein Knabe, der von seinem Erzieher einen Verweis erhält. Sie sahen mich eintreten, und sofort bemächtigte sich die ›Myrte‹ meiner.
    »Siehe Dir einmal diesen Selim Agha an!«
    Sie deutete mit gebieterischer Miene auf den armen Sünder, und ich machte mit meinem Kopfe eine Viertelwendung nach rechts, um ihn pflichtschuldigst in Augenschein zu nehmen.
    »Ist dieser Mann ein Agha der Arnauten?« frug sie nun.
    »Ja.«
    Ich gab diese Antwort natürlich in dem Tone meiner festesten Überzeugung, aber grad dieser Ton schien einen Rückfall ihres Raptus über sie zu bringen.
    »Was! Also auch Du hältst ihn für einen Befehlshaber tapferer Krieger? Ich werde Dir sagen, was er ist; ein Agha der Feiglinge ist er!«
    Der Agha schlug die Augen auf und versuchte, einen verweisenden Blick zu Stande zu bringen. Es gelang ihm leidlich.
    »Erzürne mich nicht, Mersinah, denn Du weißt, daß ich dann schrecklich bin!«
    »Worüber seid Ihr so ergrimmt?« wagte ich jetzt zu fragen.
    »Über diese fünfzig Piaster!« antwortete die ›Myrte‹, indem sie mit der verächtlichsten ihrer Mienen auf die Erde deutete.
    Ich blickte nieder und sah nun zwei silberne Zwanzig- und ein ebensolches Zehn-Piasterstück am Boden liegen.
    »Was ist’s mit diesem Gelde?«
    »Es ist vom Mutesselim.«
    Jetzt begann ich das Übrige zu ahnen und frug:
    »Wofür?«
    »Für die Gefangennehmung des Makredsch. Effendi, Du weißt ungefähr, wie viel Geld dieser bei sich hatte?«
    »Ich schätze es auf ungefähr vier und zwanzigtausend Piaster.«
    »So hat Selim mir doch die Wahrheit gesagt. Dieses viele, ungeheure Geld hat der Commandant dem Makredsch abgenommen und von demselben diesem tapfern Agha der Arnauten fünfzig Piaster gegeben!«
    Bei diesen Worten bildete ihr ganzes Gesicht ein empörtes Ausrufezeichen. Sie schob die Silberstücke mit dem Fuße fort und frug mich:
    »Und weißt Du, was dieser Agha der Arnauten gethan hat?«
    »Was?«
    »Er hat das Geld genommen und ist davon gegangen, ohne ein einziges Wort zu sagen! Frage ihn, ob ich Dich belüge!«
    »Was sollte ich thun?« entschuldigte sich Selim.
    »Ihm das Geld in den Bart werfen! Ich hätte es ganz sicherlich gethan. Glaubst Du das, Effendi?«
    »Ich glaube es!«
    Mit dieser Versicherung sagte ich die Wahrheit. Sie beehrte mich mit einem Blicke der Dankbarkeit und frug mich dann:
    »Soll er es ihm wiedergeben?«
    »Nein.«
    »Nicht?«
    Ich wandte mich an den Agha:
    »Hast Du das Verzeichniß, welches der Commandant nach Mossul schicken muß, unterschrieben?«
    »Ja.«
    »Wie viel hat er angegeben?«
    »Vierhundert Piaster in Gold und einundachtzig Piaster in Silber.«
    »Weiter nichts?«
    »Nein.«
    »Die Uhr und die Ringe?«
    »Auch nicht.«
    »Er ist Dein Vorgesetzter, und Du darfst ihn Dir nicht zum Feinde machen; darum ist es gut, daß Du das Geld ruhig genommen hast. Weißt Du noch, was ich Dir versprochen habe?«
    »Ich weiß es!«
    »Ich werde mein Wort halten und mit dem Commandanten sprechen. Tausend Piaster wenigstens sollst Du erhalten.«
    »Ist das wahr, Effendi?« frug Mersinah.
    »Ja. Das Geld gehört weder dem Mutesselim noch dem Agha, aber es kommt auf alle Fälle in die Hände, welche kein Recht daran haben, und so mag es bleiben, wo es ist. Aber der Agha soll nicht so schmählich betrogen werden!«
    »Er sollte doch wohl siebentausend erhalten?«
    »Die bekommt er nicht. Das wurde nur als Vorwand gesagt. Selim, ist der Basch Tschausch schon fort?«
    »Nein, Effendi.«
    »Er sollte doch am Vormittage fortgehen.«
    »Der Mutesselim hat ja einen neuen Bericht zu schreiben, weil er in dem alten sagte, daß er den Araber schicken werde. Vielleicht soll der Basch Tschausch warten, bis wir den Entflohenen wieder haben.«
    »Dazu ist wohl keine Hoffnung vorhanden.«
    »Warum?«
    »Weil er sich an den Felsen zu Tode gestürzt hat.«
    »Und wenn wir uns getäuscht hätten?«
    »Wieso?«
    »Der Mutesselim scheint jetzt zu glauben, daß er noch lebt.«
    »Hat er Dir eine nähere Mittheilung darüber gemacht?«
    »Nein; aber ich hörte es aus verschiedenen Worten, welche er sprach.«
    »So

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