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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wachten drei Männer, auf welche ich mich verlassen konnte. Übrigens war Amadijah beinahe menschenleer; die Hälfte der Garnison laborirte am Fieber, und den Mutesselim hatte ich in meiner Hand.
    Selim Agha stand bereits unter der Thüre. Die beiden Besprechungen hatten ihm zu lange gedauert, und er suchte das Versäumte durch einen schnellen Schritt wieder einzuholen. Wie bereits heute morgen, stand der Commandant auch jetzt wieder unter der geöffneten Gefängnißthüre. Er trat zurück, als er uns erblickte. Seit meinem Austritte aus der Wohnung bis hierher hatte ich scharf gespäht, aber keinen Menschen gesehen, der den Auftrag hätte haben können, mich zu beaufsichtigen. Die zwei Gassen, durch welche wir kamen, waren leer, und auch in der Nähe des Gefängnisses ließ sich Niemand sehen. Der Commandant begrüßte mich sehr höflich, aber mein Mißtrauen entdeckte sehr leicht, daß hinter dieser Höflichkeit sich eine Arglist barg.
    »Effendi,« begann er, als er die Thüre hinter sich und uns verschlossen hatte, »wir haben den Körper des Entflohenen nicht gefunden.«
    »Hast Du in der Schlucht suchen lassen?«
    »Ja. Es sind Leute an Stricken hinabgelassen worden. Der Gefangene ist nicht dort hinab.«
    »Aber seine Kleider lagen dort!«
    »Vielleicht hat er sie dort nur abgelegt!«
    »Dann würde er ja ein anderes Gewand haben müssen!«
    »Vielleicht hat er das gehabt. Es ist gestern ein vollständiger Anzug gekauft worden.«
    Er blickte mich bei diesen Worten forschend an. Er meinte jedenfalls, ich werde mich durch eine Miene verrathen; im Gegentheile aber hatte er sich durch diese Bemerkung bloßgestellt, denn nun wußte ich ganz genau, was ich von ihm zu erwarten hatte.
    »Für ihn?« frug ich ungläubig lächelnd.
    »Ich glaube es. Ja, man hat sogar ein Reitpferd gekauft!«
    »Auch für ihn?«
    »Ich denke es. Und dieses befindet sich noch in der Stadt.«
    »Er will also offen und frei zum Thore hinausreiten? Oh, Mutesselim, ich glaube, Dein System ist noch nicht in Ordnung gekommen. Ich werde Dir Medizin senden müssen!«
    »Ich werde nie wieder eine solche Medizin trinken,« antwortete er einigermaßen verlegen. »Ich habe die Überzeugung, daß er zwar hier aus dem Gefängnisse entkommen ist, sich aber noch in der Stadt befindet.«
    »Und weißt Du auch, wie er entkommen ist?«
    »Nein; aber davon bin ich nun überzeugt, daß weder der Agha noch die Wächter die Schuld tragen, daß es ihm gelang.«
    »Und wo soll er sich versteckt halten?«
    »Das werde ich schon noch entdecken, und dabei sollst Du mir helfen, Effendi.«
    »Ich? Gern, wenn ich es vermag.«
    Ich hatte bei meinem Eintritte einen raschen Blick zur Treppe emporgeworfen und oben mehr Arnauten stehen sehen, als vorher hier postirt gewesen waren. Man hatte also wohl die Absicht, mich hier festzuhalten. In dieser Überzeugung bestärkten mich natürlich die unvorsichtigen Reden des Commandanten. Ein Blick auf das offene Gesicht des Agha ergab, daß er von dem Vorhaben des Mutesselim ganz sicher keine Kenntniß hatte. Also auch er stand im Verdacht, und daraus schloß ich, daß man den Entsprungenen in seiner und in meiner Wohnung vermuthe.
    »Ich habe gehört,« meinte der Commandant, »daß Du ein großer und geschickter Kenner aller Spuren bist.«
    »Wer hat Dir das gesagt?«
    »Dein Baschi-Bozuk, dem Dein Diener Halef es erzählte.«
    Also er hatte den Baschi-Bozuk verhört. Darum also war derselbe von dem Basch Tschausch geholt worden! Der Commandant fuhr fort:
    »Und darum bitte ich Dich, Dir einmal das Gefängniß anzusehen.«
    »Dies habe ich doch bereits gethan!«
    »Aber nicht so genau, wie es geschehen muß, wenn man Spuren entdecken will. Dann ist oft ein ganz kleines Ding, welches man erst gar nicht beachtet hat, von sehr wichtiger Bedeutung.«
    »Das ist richtig. Also das ganze Haus soll ich durchsuchen?«
    »Ja. Aber Du wirst wohl mit dem Loche beginnen müssen, in dem er gesteckt hat, denn dort hat auch seine Flucht begonnen.«
    O, schlauer Türke! Hinter mir hörte ich auf den Treppenstufen etwas knistern. Die Arnauten kamen leise herab.
    »Das ist sehr richtig,« bemerkte ich scheinbar ahnungslos. »Laß die Thüre zu der Zelle öffnen!«
    »Mache auf, Selim Agha!« gebot er.
    Der Agha schob die Riegel zurück und legte die Thüre ganz bis an die Wand hinum.
    Ich trat näher, aber so vorsichtig, daß mich kein Stoß von hinten hinabwerfen konnte, und blickte aufmerksam hinein.
    »Ich sehe nichts, was mir auffallen könnte,

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