Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
ein anderes Wort gesprochen als die Namen der Gegenstände, welche sie auf den Lehmboden legten. Nun aber frug ich den Dorfvorsteher:
»Ich fand einen Mann auf dem Dache. War es wirklich der Besitzer dieses Hauses?«
»Ja,« antwortete er einsilbig.
»Was wollte er oben?«
»Er schlief.«
»Warum zog er die Leiter empor?«
»Er wollte nicht gestört sein.«
»Du sagtest doch, daß wir allein hier wohnen sollen.«
»Er lag da bereits oben! Das wußte ich nicht, und er wußte auch nicht, daß Gäste da sind.«
»Er hat es gewußt.«
»Woher?« frug er barsch.
»Er war mit draußen vor dem Dorfe, als wir uns trafen.«
»Schweig! Er war daheim.«
Dieser Mann verfiel wieder in seinen befehlshaberischen Ton. Ich aber ließ mich nicht einschüchtern und begann von neuem zu fragen:
»Wo sind die Männer, welche nicht in Dein Dorf gehören?«
»Sie sind nicht mehr da.«
»Sage ihnen, daß sie ja nicht wiederkommen sollen!«
»Warum?«
»Das magst Du errathen.«
»Schweig! Ich rathe nicht.«
Nun ging er wieder fort, und die beiden Anderen folgten ihm.
Das Abendessen war ein sehr frugales: getrocknete Maulbeeren, Brot, in Asche gerösteter Kürbis und Wasser. Glücklicherweise aber hatten wir einigen Vorrath bei uns und brauchten also nicht zu hungern. Während Halef das Essen ordnete, ließ ich den jungen Haddedihn mit der angezündeten zweiten Kerze hinaus auf den Flur gehen. Die Thüre führte nämlich gleich neben der Ecke des Hauses in dasselbe, und der Flur wurde also von der Grundmauer und der Zimmerwand gebildet. Als Amad mit dem Lichte draußen stand, stieg ich auf das Dach und untersuchte den Fußboden desselben sehr genau. Endlich bemerkte ich über dem Flur, welchen das Licht Amad’s erhellte, eine sehr dünne Spalte, die ein regelmäßiges Viereck bildete. Ich fuhr mit dem Messer hinein und – hob einen viereckigen Deckel empor. Das Geheimniß war entdeckt.
Nach weiterem Suchen fand ich über den beiden Wohnräumen einige schadhafte Stellen, welche es ermöglichten, hinabzusehen und nicht nur alles zu überblicken, sondern auch das Gespräch der darunter Befindlichen zu belauschen.
Jetzt stieg ich wieder hinab, machte kurzen Prozeß, faßte meinen Rappen beim Zügel und führte ihn in die Stube.
»Halloh!« rief der Engländer. »Was ist los?«
»Holt Euer Pferd auch herein, denn auf diese war es wohl abgesehen. Da draußen über dem Flur ist ein Loch, durch welches man hinabsteigen und die Thüre öffnen kann. Die Kurden hätten gewartet, bis wir schliefen, und wären dann mit unseren Pferden davon gegangen.«
»Ist richtig, sehr richtig! Werden das thun! Yes!«
Auch die Andern waren einverstanden. Die Fenster wurden verhangen, die Pferde in das hintere Gemach gebracht; dann zog ich die Leiter in den Flur und stieg hier mit dem Hunde auf das Dach hinauf. Nun konnten die Kurden immerhin über die Mauer in den Hof steigen; sie fanden ihn leer und mußten wieder abziehen. Vielleicht irrte ich mich auch, und sie hegten gar keine diebischen Absichten; dann war es um so besser.
Jetzt nun konnten wir endlich auch über unsere weiteren Pläne sprechen. In Amadijah war dies nicht geschehen, weil uns da jeder Augenblick etwas Neues bringen konnte, und unterwegs waren wir nur bedacht gewesen, schnell vorwärts zu kommen. Es handelte sich natürlich um den Weg, welcher uns zurück nach dem Tigris führen sollte.
»Der kürzeste Pfad geht durch das Gebiet der Dschesidi,« meinte Mohammed Emin.
»Den dürfen wir nicht nehmen,« antwortete Amad. »Man hat mich da gesehen und würde mich erkennen.«
»Er ist auch in anderer Beziehung nicht sicher,« fügte ich hinzu, »besonders da wir nicht wissen, wie der Gouverneur von Mossul seinen Bericht abgefaßt hat. Direkt nach Westen können wir nicht.«
»So bleiben uns zwei Wege,« erklärte Mohammed. »Der eine geht durch Tijari nach dem Buthan und der andere führt uns auf den Zab hinunter.«
»Beide sind gefährlich, weniger für den entflohenen Gefangenen als vielmehr im Allgemeinen. Aber ich ziehe den Weg nach Süden vor, wenn er uns auch in das Gebiet der Abu Salman bringt.«
Dieser Ansicht stimmten die Anderen bei, und dem Engländer war Alles recht. Es wurde daher beschlossen, über Gumri nach Lizan zu reiten, von da aus dem Flusse zu folgen, bis er seine große Wendung in das Land der Schirwan- und Zibar-Kurden macht, und diesen Bogen durch einen Ritt quer über die Berge von Tura Ghara und Haïr abzuschneiden. Dann mußten wir an die Ufer
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