Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
er.
Da trat auch der Engländer ein, welcher draußen im Hofe umhergestöbert hatte. Seine Nase lag auf der rechten und sein Mund auf der linken Seite des Gesichtes, ein ganz sicheres Zeichen, daß ihm etwas Merkwürdiges passirt sei.
»Hm!« räusperte er sich. »Habe etwas gesehen! – Interessant! – Yes!«
»Wo? So erzählt doch nur!«
»Pst! Nicht in die Höhe sehen! War im Hofe. Schmutziger Platz das! Sah die Büsche an der Mauer und stieg hinauf. Schöner Überfall von draußen herein! Würde prächtig gehen. Blicke auch hinauf zum Dache und sehe ein Bein. Well! Eines Mannes Bein. Es guckte einen Augenblick lang aus der Hütte heraus, wo Futter ist.«
»Habt Ihr auch recht gesehen, Sir?«
»Sehr recht! Yes!«
Jetzt erst fiel es mir ein, daß ich weder eine Treppe noch eine Leiter gesehen hatte, um auf das Dach zu gelangen. Wir traten also hinaus in den Hof, um zu suchen. Es fand sich nichts. Auch im Innern des Gebäudes war nicht zu entdecken, ob man von hier aus auf das Dach gelangen könne, und dennoch wurde es Zeit, nachzusehen; denn die Nacht war schon ganz nahe.
Droben über der hinteren Thüre ragte ein Dachbalken etwas aus der Mauer hervor, zwar nicht viel, aber es genügte. Ich nahm den Lasso, knüpfte ihn vierfach zusammen, bildete auf diese Weise eine einzige große Schlinge und warf sie empor. Sie hing am Balken so, daß ich sie unten fassen konnte. Nun zog ich mich an der Schlinge empor, trat in sie hinein und gelangte auf diese Weise auf das Dach. Nun ging ich auf das Behältniß zu, welches bis zum Eingange desselben mit Futter angefüllt war. Ich langte hinein, fühlte aber nichts Verdächtiges; als ich jedoch soweit hineinkroch, daß meine Arme bis ganz hinter langen konnten, faßte ich den Kopf eines Menschen, der sich in die fernste Ecke verkrochen hatte.
»Wer bist Du?« frug ich.
»U – – ah!« erklang es gähnend.
Der Mann wollte mich glauben machen, daß er geschlafen habe.
»Komm heraus!« befahl ich ihm.
»U – – ah!« machte er noch einmal; dann schob er meine Hand von sich ab und kam langsam hervorgekrochen. Es war noch so licht, um deutlich zu sehen, daß dieser Mann nicht einen Augenblick geschlafen habe. Er gaffte mich an und that, als ob er erstaune.
»Ein Fremder! Wer bist Du?« frug er mich.
»Sage nur zuerst, wer Du bist!«
»Dieses Haus ist mein!« antwortete er.
»So! Das ist mir lieb, denn dann kannst Du mir sagen, wie Du heraufgekommen bist.«
»Auf der Leiter.«
»Wo ist sie?«
»Im Hofe.«
»Da ist sie nicht.«
Ich sah mich auf dem Dache erst jetzt näher um und gewahrte sie längs des Dachrandes liegen.
»Mensch, Du bist sehr verschlafen, denn Du hast ganz vergessen, daß Du die Leiter hinter Dir heraufgezogen hast! Hier liegt sie!«
Er blickte sich verdutzt um und sagte dann: »Hier? Ja. Ich habe geschlafen!«
»Nun wache aber. Komm hinab!« – Mit diesen Worten schob ich die Leiter hinunter, und der Mann stieg mir voran und verließ hierauf das Haus, ohne ein Wort zu sagen. Erst that er, als sei er sehr überrascht von der Gegenwart eines fremden Menschen, und nun lief er gemächlich zum Nezanum hinüber, ohne mich weiter über mein Recht, hier in seinem Hause zu sein, im Mindesten zu inquiriren.
»Wer war es?« frug der Engländer.
»Der Besitzer dieses Hauses.«
»Was will er da oben?«
»Er that, als habe er geschlafen.«
»Nicht geschlafen! Kenne den Kerl! War derselbe, welcher fortritt. Ihr konntet das nicht bemerken, weil Ihr mit dem Schießen zu thun hattet. Yes!«
»So ist es sicher, daß man eine feindselige Absicht hegt!«
»Denke es auch. Aber welche?«
»Unser Leben wollen sie nicht, aber unser Eigenthum.«
»Kerl wird hinaufgestiegen sein, um zu sehen, wann wir schlafen. Dann gibt er Zeichen, Andere kommen, holen Pferde und Alles.«
Derselben Ansicht waren auch die anderen Gefährten. Es war jetzt vollständig dunkel in den beiden Stuben, so daß man nicht erkennen konnte, ob man von dem Dache aus auch in das Innere des Hauses gelangen könne; doch schien mir dies wahrscheinlich zu sein. Schon stand ich im Begriff, aus Mangel an irgend einer Beleuchtung ein Stück Holz anzubrennen, als draußen an den Eingang geklopft wurde. Ich ging hinaus und öffnete. Der Nezanum war es mit noch zwei Männern, welche Essen, Wasser und zwei Kerzen brachten. Die Kerzen waren sehr roh aus ungereinigtem Wachs bereitet und konnten nur wenig Helligkeit verbreiten. Ich zündete eine derselben an.
Noch hatte keiner der drei Männer
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