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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sonst erfährt er, wer der Starke ist: er oder ich. Laß uns weiterziehen; ich kam nur, um Dir Willkommen zu sagen.«
    Dieser Mann war mir ganz sicher an Körperstärke weit überlegen; aber es war nur eine rohe, ungeschulte Kraft, die mir keineswegs bange machen konnte. Daher erwiederte ich zwar kein einziges Wort auf seine ›Verzeihung‹, fühlte aber auch nicht etwa einen übermäßigen Respekt vor ihm. Dabei hatte ich eine gewisse Ahnung, daß ich mit ihm doch auf irgend eine Weise näher zusammengerathen werde.
    Wir setzten den unterbrochenen Ritt weiter fort und gelangten bald an den Ort unserer Bestimmung.
    Die elenden Häuser und Hütten, aus denen Lizan besteht, liegen zu beiden Seiten des Zab, der hier sehr reißend ist. In seinem Bette liegen zahlreiche Felsblöcke, die das Flössen und Schwimmen außerordentlich erschweren, und die Brücke, welche ihn überspannt, ist aus rohem Flechtwerk gefertigt und mittels großer schwerer Steine über einige Pfeiler befestigt. Dieses Flechtwerk gibt bei jedem Schritte nach, so daß mein Pferd nur sehr ängstlich die Brücke passirte; doch kamen wir wohlbehalten alle an dem linken Ufer an.
    Bereits drüben auf der andern Seite war unser Zug von Frauen und Kindern mit Jubelgeschrei empfangen worden. Die wenigen Häuser, welche ich erblickte, waren jedenfalls als Wohnort so Vieler viel zu eng, und so vermuthete ich, daß unter den Anwesenden auch zahlreiche Bewohner benachbarter Orte zu finden seien.
    Das Haus des Melek, wo wir absteigen wollten, lag auf dem linken Ufer des Zab. Es war ganz nach kurdischer Art, aber halb in das Wasser des Flusses hineingebaut, wo der kühlende und stärkere Luftzug die Mücken verscheuchte, an denen diese Gegenden leiden. Das obere Stockwerk des Gebäudes hatte keine Mauern; es bestand einfach aus dem Dach, welches an den vier Ecken von je einem Backsteinpfeiler getragen wurde. Dieser luftige Raum bildete das Staatsgemach, in welches uns der Melek führte, nachdem wir abgestiegen waren und ich mein Pferd Halef übergeben hatte. Es lag da eine Menge zierlich geflochtener Matten, auf welchen wir es uns leidlich bequem machen konnten.
    Der Melek hatte natürlich jetzt nicht viel Zeit für uns übrig; wir waren uns selbst überlassen. Bald aber trat eine Frau herein, die einen starken, breiten, aus Bast geflochtenen Teller trug, der mit allerlei Früchten und Eßwaaren belegt war. Ihr folgten zwei Mädchen, im Alter von ungefähr zehn und dreizehn Jahren, und trugen ähnliche, aber kleinere Präsentirbretter in den Händen.
    Alle drei grüßten sehr demüthig, und dann stellten sie die Speisen vor uns nieder. Die Kinder entfernten sich, die Frau aber blieb noch stehen und musterte uns mit verlegener Miene.
    »Hast Du einen Wunsch?« frug ich sie.
    »Ja, Herr,« antwortete sie.
    »Sage ihn!«
    »Welcher von Euch ist der Emir aus dem Abendlande?«
    »Es sind zwei solcher Emire hier: ich und dieser da.«
    Bei den letzten Worten deutete ich auf den Engländer.
    »Ich meine denjenigen, welcher nicht nur ein Krieger, sondern auch ein Arzt ist.«
    »Da werde wohl ich gemeint sein,« lautete meine Antwort.
    »Bist Du es, der in Amadijah ein vergiftetes Mädchen gesund gemacht hat?«
    Ich bejahte, und sie sagte darauf:
    »Herr, die Mutter meines Mannes wünscht sehnlich, einmal Dein Angesicht zu sehen und mit Dir zu sprechen.«
    »Wo befindet sie sich? Ich werde gleich zu ihr gehen.«
    »O nein, Chodih. Du bist ein großer Emir; wir aber sind nur Frauen. Erlaube, daß sie zu Dir kommt!«
    »Ich erlaube es.«
    »Aber sie ist alt und schwach und kann nicht lange stehen – –!«
    »Sie wird sich setzen.«
    »Weißt Du, daß in unserm Lande sich die Frau in Gegenwart solcher Herren nicht setzen darf?«
    »Ich weiß es, aber ich werde es ihr dennoch erlauben.«
    Sie ging. Nach einiger Zeit kam sie wieder herauf und führte eine Frau am Arme, deren Gestalt vom Alter weit vornüber gebeugt war. Ihr Gesicht hatte tiefe Runzeln, aber ihre Augen blickten noch mit jugendlicher Schärfe umher.
    »Gesegnet sei Euer Eingang in das Haus meines Sohnes!« grüßte sie. »Welcher ist der Emir, den ich suche?«
    »Ich bin es. Komm und laß Dich nieder!«
    Sie erhob abwehrend die Hand, als ich auf die Matte deutete, die in meiner Nähe lag.
    »Nein, Chodih; es ziemt mir nicht, in Deiner Nähe zu sitzen. Erlaube, daß ich mich in einer Ecke niederlasse!«
    »Nein, das erlaube ich nicht,« antwortete ich ihr. »Bist Du eine Christin?«
    »Ja, Herr.«
    »Auch ich

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