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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Hand auf den Kopf.«
    Ich nahm die Kerzen und schritt vorwärts. Es war ein Gefühl außerordentlicher Spannung, welches mich jetzt beherrschte, und dies war gar kein Wunder; sollte ich doch in das Geheimniß eindringen, das den ›Geist der Höhle‹ umhüllte. Freilich, den eigentlichen Kern dieses Geheimnisses ahnte ich bereits.
    Ich langte an der Felsenwand an und bemerkte die Höhle, deren Eingang gerade so hoch und breit war, daß ein Mann in aufrechter Haltung Zutritt nehmen konnte. Ich lauschte einige Augenblicke, hörte aber nicht das Mindeste, und brannte dann eine der Kerzen an, welche ich auf den Boden der Höhle niederstellte. Das ging sehr leicht, da die Kerze unten eine genügende Breite besaß.
    Nun kehrte ich wieder zurück. Ich sagte mir, daß für einen nicht Unbefangenen schon ein gut Theil Muth dazu gehöre, in der Stunde der Mitternacht den Berg zu besteigen, um mit einem Geiste in Verkehr zu treten.
    »Das Licht brennt. Nun warte, ob es verlöschen wird,« sagte Ingdscha.
    »Es geht nicht der leiseste Lufthauch; wenn das Licht verlöscht, so ist es also ein sicheres Zeichen, daß der Ruh zugegen ist.«
    »Sieh!« meinte das Mädchen, mich hastig am Arme fassend. »Es ist verlöscht!«
    »So gehe ich.«
    »Ich erwarte Dich hier«
    Als ich wieder an die Höhle kam, bückte ich mich nieder, um nach dem Lichte zu fühlen – es war weggenommen worden. Ich hegte die Überzeugung, daß der Geist sich ganz nahe, vielleicht in einer Seitennische, befinde, um jedes Wort hören zu können. Ein Anderer hätte nun einfach seine Angelegenheit in akroamatischer Weise vorgetragen und dann sich zurückgezogen; dies aber lag nicht in meiner Absicht. Ich trat zwei Schritte in die Höhle hinein.
    »Ruh ‘i kulyan!« rief ich halblaut.
    Es erfolgte keine Antwort.
    »Marah Durimeh!«
    Wieder keine Antwort.
    »Marah Durimeh, melde Dich getrost; ich werde Dein Geheimniß nicht verrathen. Ich bin der Hekim aus Frankistan, welcher Dein Urenkelkind in Amadijah vom Gifte befreite, und habe augenblicklich sehr nothwendig mit Dir zu sprechen.«
    Ich hatte mich nicht getäuscht – seitwärts war ein Geräusch zu vernehmen, als ob sich Jemand überrascht vom Boden erhebe; dennoch aber vergingen mehrere Sekunden, ehe eine Antwort erfolgte. Dann erklang es:
    »Du bist wirklich der Hekim-Emir aus Frankistan?«
    »Ja. Vertraue mir! Ich ahnte, daß Du selbst der Ruh ‘i kulyan bist; ich werde Dein Geheimniß bewahren.«
    »Es ist Deine Stimme, aber ich kann Dich nicht sehen.«
    »Verlange ein Zeichen von mir!«
    »Gut! Was hatte der türkische Hekim in seinem Amulet, mit welchem er den Teufel der Krankheit vertreiben wollte?«
    »Eine todte Fliege.«
    »Emir, Du bist es wirklich! Wer hat Dir die Höhle gezeigt?«
    »Ingdscha, die Tochter von Nedschir-Bey. Sie steht da draußen und erwartet mich.«
    »Gehe noch vier Schritte vorwärts!«
    Ich that es und fühlte mich dann von einer Hand gefaßt, welche mich nach seitwärts in eine Spalte zog, wo sie mich eine Strecke weiter führte.
    »Jetzt warte. Ich werde das Licht anbrennen.«
    Einen Augenblick später brannte die Kerze, und ich sah Marah Durimeh vor mir stehen, eingehüllt in einen weiten Mantel, aus dem ihr hageres Gesicht wie dasjenige eines Todtenkopfes mir entgegengrinste. Auch heut hingen ihr die schneeweißen Haarzöpfe bis beinahe zur Erde herab. Sie leuchtete mich an.
    »Ja wirklich, Du bist es, Emir! Ich danke Dir, daß Du gekommen bist. Aber Du darfst keinem Menschen sagen, wer der Geist der Höhle ist!«
    »Ich schweige.«
    »Ist es ein Wunsch, der Dich zu mir führt?«
    »Ja. Aber er betrifft nicht mich, sondern die Chaldani, welche einem großen Unglücke entgegengehen, das nur Du vielleicht von ihnen abzuwenden vermagst. Hast Du Zeit, mich anzuhören?«
    »Ja. Komm und setze Dich.«
    In der Nähe lag ein langer, schmaler Stein, welcher Raum genug für Zwei bot. Er bildete wohl stets die Ruhebank des Höhlengeistes. Wir ließen uns neben einander darauf nieder, während das Licht auf einer Steinkante stand. Dann sagte die Alte mit besorgter Miene:
    »Deine Worte verkünden Unheil. Rede, Herr!«
    »Weißt Du schon, daß der Melek von Lizan den Bey von Gumri überfallen und gefangen genommen hat?«
    »Heilige Mutter Gottes, ist das wahr?« rief sie, sichtlich im höchsten Grade erschrocken.
    »Ja. Ich selbst war dabei als Gast des Bey und wurde gefangen.«
    »Ich weiß nichts davon, kein Wort. Ich war während der letzten Tage drüben in Hajschad und Biridschai

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