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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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und bin erst heut über die Berge gekommen.«
    »Nun halten die Berwari-Kurden da unten vor Lizan, um morgen den Kampf zu beginnen.«
    »O Ihr Toren, die Ihr den Haß liebt und die Liebe haßt! Soll sich das Wasser wieder vom Blute röthen und das Land vom Scheine der Flammen? Erzähle, Herr, erzähle! Meine Macht ist größer, als Du denkst; vielleicht ist es noch nicht zu spät.«
    Ich folgte ihrem Gebote, und sie lauschte mit angehaltenem Athem meiner Darstellung. Es war, als hätte ich den Tod neben mir sitzen, und doch hing von diesem skelettartigen, geheimnißvollen Wesen vielleicht das Leben von Hunderten ab. Kein Glied ihres Körpers bewegte sich, und keine Falte ihres Mantels zitterte; aber sofort, als ich geendet hatte, fuhr sie vom Steine empor.
    »Emir, noch ist es Zeit. Willst Du mir helfen?«
    »Gern.«
    »Ich weiß, Du mußt mir auch von Dir erzählen, aber nicht jetzt, nicht jetzt, sondern morgen; jetzt gibt es Nöthigeres zu thun. Der Geist der Höhle ist stumm gewesen; noch nie hat ihn Jemand sprechen hören; heut aber wird er reden, heut muß er reden. Laß Dich von Ingdscha führen, Herr, und eile hinab nach Lizan. Der Melek, der Bey von Gumri und der Raïs von Schohrd sollen sogleich zum Ruh ‘i kulyan kommen.«
    »Werden sie gehorchen?«
    »Sie gehorchen; sie müssen gehorchen, glaube es mir!«
    »Aber der Raïs ist nicht zu finden!«
    »Emir, wenn ihn Niemand findet, so wirst doch Du ihn finden; ich kenne Dich. Auch er muß kommen, ob gleichzeitig oder ob später als die beiden Andern; wenn er nur bis zum Morgen erscheint. Ich werde warten.«
    »Sie werden mich fragen, von wem ich den Auftrag erhalten habe. Ich werde antworten: ›Vom Ruh ‘i kulyan‹; weiter kein Wort. Ist es so recht?«
    »Ja. Sie brauchen nichts zu wissen, am allerwenigsten aber, wer der Geist der Höhle eigentlich ist.«
    »Soll ich wieder mitkommen?«
    »Du kannst sie begleiten, aber in die Höhle darfst Du nicht mit eintreten. Was ich ihnen zu sagen habe, ist für keines Andern Ohr. Sage ihnen, sie sollen sofort in die Höhle treten und darin gradaus fortschreiten, bis sie in einen Raum gelangen, welcher erleuchtet ist.«
    »Kannst Du es bewirken, daß ich wieder erhalte, was man mir abgenommen hat?«
    »Ja; trage keine Sorge. Aber jetzt gehe; morgen sehen wir uns wieder, und dann kannst Du mit Marah Durimeh sprechen, so lange es Dir gefällt!«
    Ich ging und traf Ingdscha noch an demselben Platze, an welchem ich sie verlassen hatte.
    »Du warst lange dort, Herr,« sagte sie.
    »Desto schneller müssen wir jetzt gehen.«
    »Du mußt doch warten, bis das Licht wieder brennt, sonst weißt Du nicht, ob Dir Deine Bitte erfüllt wird.«
    »Sie wird erfüllt.«
    »Woher weißt Du es?«
    »Der Geist sagte es!«
    »O Herr, hättest Du seine Stimme gehört?«
    »Ja. Er hat sehr lange mit mir gesprochen.«
    »Das ist noch niemals geschehen; Du mußt ein sehr großer Emir sein!«
    »Ein Geist beurtheilt den Menschen nicht nach seinem Stande.«
    »Hast Du ihn vielleicht gar auch gesehen?«
    »Von Angesicht zu Angesicht.«
    »Herr, Du erschreckst mich! Wie sah er aus?«
    »Solche Dinge darf man nicht enthüllen. Komm, Du sollst mich führen; ich muß schnell nach Lizan hinab.«
    »Was wird da aus Madana, die auf Dich wartet?«
    »Du bringst mich zuerst auf den rechten Weg, und dann kehrst Du zu ihr zurück, um ihr zu sagen, daß sie nicht mehr auf mich warten solle. Ich werde morgen nach Schohrd kommen.«
    »Was aber soll sie meinem Vater sagen, wenn er Dich von ihr verlangt?«
    »Sie soll sagen, daß er sogleich zum Geist der Höhle kommen solle. Auch wenn Du Deinen Vater triffst, sendest Du ihn sofort hinauf zur Höhle. Er muß kommen, er mag vorhaben, was er will. Wenn er nicht auf der Stelle gehorcht, so ist es um ihn geschehen.«
    »Herr, mir wird bange. Komm, laß uns gehen!«
    Ich nahm den Hund wieder bei der Leine und das Mädchen bei der Hand. So stiegen wir bergab, wobei wir natürlich schneller abwärts kamen, als vorher bergan. Als wir die Einsattelung erreichten, wandten wir uns nach rechts hinab anstatt nach links hinüber, und das Mädchen kannte das Terrain so genau und führte mich so sicher, daß wir bereits nach einer starken Viertelstunde den Weg erreichten, welcher Lizan mit Schohrd verbindet. Hier blieb ich stehen und sagte:
    »Nun kenne ich den Pfad; wir müssen uns trennen. Als ich heut hier herabgeschleppt wurde, habe ich mir den Weg genau angesehen. Ich danke Dir, Ingdscha. Morgen sehen wir uns wieder.

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