Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
wenn er von Altyn und Gümüsch gemacht worden wäre; denn Du hast ihn gefertigt. Ich bitte Dich, schenke ihn mir, damit ich eine Erinnerung habe, wenn Du uns verlassen hast!«
»So behalte ihn! Aber Du sollst mich morgen mit Madana in Lizan besuchen, und da werde ich Euch noch etwas Besseres geben.«
»Wann willst Du fort von hier?«
»Das wird der Ruh ‘i kulyan bestimmen. Jetzt aber setzt Euch herzu. Wir wollen unser Mahl beginnen.«
Ich mußte diese Bitte noch einige Male wiederholen, ehe sie erfüllt wurde. Halef hatte bisher gar nicht gesprochen, sondern nur immer das schöne Mädchen beobachtet.
Jetzt stieß mein kleiner Diener einen Seufzer aus und meinte in arabischer Sprache:
»Sihdi, Du hast Recht!«
»Womit?«
»Selbst wenn ich ein Pascha wäre, ich paßte nicht zu ihr. Nimm Du sie, Sihdi! Sie ist schöner als Alle, die ich gesehen habe.«
»Es wird hier schon ein Jüngling sein, den sie lieb hat.«
»Frage sie einmal!«
»Das geht nicht, mein kleiner Hadschi Halef; das würde sehr unhöflich und zudringlich sein.«
Ingdscha hatte wohl bemerkt, daß von ihr die Rede war; darum sagte ich zu ihr:
»Dieser Mann ist bereits ein guter Bekannter von Dir.«
»Wie meinst Du das, Emir?«
»Es ist der Diener, von dem Dir Marah Durimeh erzählt hat. Die Andern haben alle geglaubt, daß ich ermordet worden sei, und nur er allein hat es gewagt, mir nachzufolgen.«
»Er ist ein kleiner, aber ein treuer und muthiger Mann,« meinte sie mit einem Blick der Anerkennung auf ihn.
»Was sagte sie von mir?« frug er, da er diesen Blick ganz wohl bemerkt hatte.
»Sie sagte, Du seist ein sehr treuer und muthiger Mann.«
»Sage ihr, sie sei ein sehr schönes und gutes Mädchen, und es sei sehr Schade, daß ich so klein und kein Pascha bin.«
Während ich seine Worte verdolmetschte, reichte er ihr die Hand entgegen, und sie schlug lachend ein. Dabei strahlte ihr Angesicht so lieb und gut, daß mich ein aufrichtiges und warmes Bedauern überkam, indem ich an das einförmige, freudenlose Leben dachte, welches ihrer in diesem Lande wartete.
»Hast Du nicht einen Wunsch, den ich Dir erfüllen könnte?« frug ich sie in Folge dieser freundschaftlichen Aufwallung.
Sie blickte mir einige Sekunden lang nachdenklich in das Gesicht und antwortete dann:
»Ja, Herr, ich habe einen Wunsch.«
»Sage ihn!«
»Emir, ich werde sehr viel an Dich denken. Wirst Du Dich auch zuweilen an uns erinnern?«
»Oft, sehr oft!«
»Scheint der Mond bei Euch auch so wie bei uns?«
»Ganz so.«
»Herr, blicke am Abend eines jeden Vollmondes zu ihm empor; dann werden sich da oben unsere Augen treffen!«
Jetzt war ich es, der ihr die Hand hinüber reichte.
»Ich werde es thun – und ich werde auch an anderen Abenden Deiner gedenken, wenn der Mond am Himmel steht. So oft Du ihn erblickst, so denke, daß er Dir meine Grüße bringen soll.«
»Und er Dir die unsrigen!«
Jetzt stockte die Unterhaltung; wir waren in’s Elegische gerathen. Doch kehrte während des weiteren Verlaufs des Mahles die vorige Stimmung wieder zurück. Ingdscha war sogar die Erste, welchee das Wort von Neuem ergriff:
»Wird Dein Diener mit zur Höhle gehen, Herr?«
»Nein. Er wird jetzt nach Lizan zurückkehren, um meine Gefährten zu beruhigen.«
»Das mag er thun, denn ihnen droht Gefahr.«
»Welche?« frug ich anscheinend ruhig.
»Es waren vorhin zwei Männer hier. Der Eine ritt zu Dir, und der Andere blieb im Dorfe zurück. Mit diesem habe ich gesprochen. Er sollte Niemand etwas sagen, aber er hat mir doch genug verrathen, was ich Dir erzählen muß. Du glaubst, daß der Streit bis morgen Mittag ruhen soll?«
»Ich hoffe es.«
»Es gibt viele Leute, die dies nicht wünschen, und diese Männer haben sich meinen Vater zum Anführer gewählt. Er hat Eilboten nach Murghi, Minijanisch und Aschitha, auch das Thal abwärts bis nach Biridschai und Ghissa gesandt, um alle waffenfähigen Männer herbeizurufen. Sie werden sich noch während der Nacht versammeln und dann am Morgen über die Berwari herfallen.«
»Welche Unvorsichtigkeit! Dein Vater wird das ganze Thal unglücklich machen!«
»Glaubst Du, daß die Berwari uns überlegen sind?«
»An Kriegstüchtigkeit, ja, wenn auch heute noch nicht an Zahl. Aber wenn einmal der Kampf entbrannt ist, so wird er an allen Orten auflodern, und dann sind die Kurden Euch hundertfach überlegen; denn die Chaldani sind von den Stämmen der Kurden auf allen Seiten eingeschlossen.«
»O Gott, wenn Du Recht
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