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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ab.
    Vor dem Hause lagen Kurden und Chaldani wirr durch einander. Sie schlummerten noch friedlich.
    Da sah ich von unten herauf zwei weibliche Gestalten langsam nahen. Ich legte die Hand wie einen Schirm über die Augen und erkannte Ingdscha mit der holden ›Petersilie‹. Die alte, süße Madana hatte sich wahrhaft prachtvoll herausgeputzt, wie ich sah, als sie näher kamen. Ihr Haupt wurde beschattet von einem Hut, der bloß noch aus einer unendlich breiten Krämpe bestand, und um den übrigen Theil zu ersetzen, war ein großer Busch von Hahnenfedern über die klaffende runde Öffnung gebunden. An Stelle der Schuhe aber waren zwei prachtvoll rothe Fußlappen um die Füße gewickelt, leider aber war diese Farbe nicht mehr zu erkennen. Von ihren Hüften wallte ein buntscheckiger Teppich hernieder, welcher die Stelle des Rockes zu vertreten hatte und von einer Schärpe festgehalten wurde, welche ich an einem andern Ort für ein altes Küchenhandtuch gehalten hätte. Ihr Oberkörper war eingehüllt in ein Ding, für welches den richtigen Namen zu entdecken selbst dem gründlichsten Garderobekenner nicht gelungen wäre. Es war theils Kasawaika, theils Kartoffelsack, theils Beduine und theils lateinisches Segel, theils Concerttuch und theils Stuhlkappe, theils Saloppe und theils Geiferlatz. Zwischen diesem geheimnißvollen Toilettestück und dem Teppich guckte das Hemd hervor – aber, o süße Petersilie, ist dies Leinen oder Mastrichter Sohlenleder? Gibt es denn im Zab kein Wasser, traute Erretterin eines Emirs aus Germanistan?
    Ganz anders wandelte Ingdscha nebenher. Ihr dichtes, volles Haar hing in zwei Zöpfen weit über den Rücken herab; auf dem Scheitel kokettirte ein kleines, in Falten gelegtes türkisch-rothes Tuch; schneeweiße, weite Frauenbeinkleider gingen bis zu niedlichen Smyrnaer Stiefelchen herab; ein blaues, gelbbeschnürtes Baschi-Bozukjäckchen reichte grad bis zur Taille, und darüber trug sie einen Saub von dünnem, blauen Baumwollenstoff.
    Als sie näher kam und mich erblickte, färbten sich die Wangen ihres bräunlichen Gesichtes dunkler. Meine ›Petersilie‹ aber kam sofort mit Siebenmeilenschritten auf mich losgestiegen, legte die Arme über die Brust und forcirte eine Verbeugung, welche so tief ging, daß die Spitzen ihrer Hüften fast über den wagerecht liegenden Rücken emporragten.
    »Sabahh ‘l ker – guten Morgen, Herr!« grüßte sie. »Du wolltest uns heute sehen, hier sind wir!«
    Das war eine militärisch kurze Meldung; ich antwortete:
    »Seid willkommen und tretet mit mir in das Haus. Meine Gefährten sollen die Frauen kennen lernen, denen ich meine Rettung verdanke.«
    »Herr,« sagte Ingdscha, »Du hast uns einen Boten gesandt; wir danken Dir, denn wir waren wirklich in Sorgen.«
    »Hast Du Deinen Vater bereits gesehen?«
    »Nein. Er ist seit gestern nicht in Schohrd gewesen.«
    »Er ist hier. Komm herein!«
    Schon unter der Thür stießen wir auf den Raïs, welcher soeben das Haus verlassen wollte. Er machte ein einigermaßen erstauntes Gesicht, als er seine Tochter erblickte, frug sie aber doch mit freundlicher Stimme:
    »Suchst Du mich?«
    »Es ist Krieg, und ich habe Dich seit gestern nicht gesehen,« antwortete sie.
    »Ängstige Dich nicht; die Feindschaft ist vorüber. Geht zur Frau des Melek; ich habe keine Zeit.«
    Er schritt hinaus, schwang sich auf sein Pferd und ritt davon. Ich aber stieg mit den Beiden nach oben, wo die Genossen soeben ihre Morgentoilette beendet hatten.
    »Heigh-day, wen bringt Ihr da, Master?« frug Lindsay.
    Ich nahm die beiden Frauen bei der Hand und führte sie ihm zu.
    »Das sind die beiden Ladies, welche mich aus der Höhle des Löwen befreiten, Sir,« antwortete ich. »Diese hier ist Ingdscha, die Perle, und diese andere heißt Madana, die Petersilie.«
    »Petersilie, hm! Aber diese Perle ist prächtig! Habt Recht gehabt, Master! Aber beide brav, alle Beide. Werde ihnen ein Geschenk geben, gut bezahlen, sehr gut. Yes!«
    Auch die andern waren erfreut, meinen Besuch kennen zu lernen, und ich darf wohl sagen, daß den beiden Chaldäerinnen sehr viel Achtung und Aufmerksamkeit entgegengebracht wurde. Sie blieben da bis Mittag, wo sie das Mahl noch mit uns einnehmen mußten, und dann begleitete ich sie eine Strecke Weges nach Schohrd zu. Als ich von ihnen schied, frug Ingdscha:
    »Herr, hast Du Dich wirklich mit meinem Vater ausgesöhnt?«
    »So ist es.«
    »Und hast Du ihm vollständig verziehen?«
    »Vollständig.«
    »Und er zürnt mir

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