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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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machen?«
    »Er wurde überfallen.«
    »Aber Du erfuhrst dann später, daß es nicht der Melek war, der ihn überfallen ließ.«
    »Was bekommst Du von den Chaldani für den Frieden?«
    »Nichts.«
    »Nichts? O Bey, Du hast zu unklug gehandelt! Sie haben Dich überfallen und mehrere der Unserigen getödtet. Gibt es keine Blutrache und kein Blutgeld mehr im Lande?«
    Der Bey blickte ihm ruhig lächelnd in das Gesicht; aber dieses Lächeln war beängstigend.
    »Du bist der Raïs von Dalascha, nicht?« frug er mit sehr freundlicher Stimme.
    »Ja,« antwortete der Andere verwundert.
    »Und mich kennst Du wohl?«
    »Warum sollte ich Dich nicht kennen!«
    »So sage mir, wer ich bin!«
    »Du bist der Bey von Gumri.«
    »Richtig! Ich wollte nur sehen, ob ich mich täuschte; denn ich dachte, Dein Gedächtniß habe Dich verlassen. Was glaubst Du wohl, daß der Bey von Gumri dem Manne thun wird, der es wagt, ihn vor so vielen tapfern Männern unklug zu nennen?«
    »Herr, willst Du mir meine Dienste mit Undank lohnen?«
    Da auf einmal nahm die Stimme des Bey einen ganz anderen Ton an.
    »Wurm!« donnerte er. »Willst Du gegen mich ebenso thun, wie Du es zuerst mit diesem Emir aus Frankistan gethan hast? Sein Mund wies Dich zurecht, und seine Hand hat Dich gezüchtigt. Soll ich mich vor Dir fürchten, da sich der Fremdling nicht scheut, Dich vom Pferde zu werfen! Welchen Dienst hast Du mir geleistet, und wer hat Dich zum Anführer ernannt? Bin ich es gewesen? Ich sage Dir, der Ruh ‘i kulyan hat uns geboten, Frieden zu schließen, und weil die Stimme des Geistes zur Milde gerathen hat, so will ich auch Dir vergeben. Aber wage nicht noch einmal, gegen das zu handeln, was ich rede und was ich thue! Du steigst sofort zu Pferde und reitest nach Gumri, um den Berwari zu sagen, daß sie ruhig in ihren Dörfern bleiben können. Gehorchst Du nicht vollständig und augenblicklich, so bin ich mit diesen Kriegern morgen in Dalascha, und man soll von Behedri bis Schuraïsi, von Biha bis Beschukha im ganzen Lande Chal erfahren, wie der Sohn des gefürchteten Abd-el-Summit-Bey den Kiaja züchtigt, der ihm zu widerstreben wagt. Mache Dich auf und davon, Sklave der Türken!«
    Die Augen des Bey leuchteten so unheimlich, und sein Arm streckte sich zu gebieterisch aus, daß der Raïs ohne ein weiteres Wort zu Pferde stieg und schweigend davonritt. Dann wandte sich der Bey zu den Andern:
    »Holt die Wachen herbei, und folgt uns nach Lizan! Ihr sollt von unsern Freunden bewirthet werden.«
    Mehrere eilten fort; die Andern löschten die Feuer aus, und ohne daß ein Wort der Frage oder des Widerspruchs gefallen war, hatten wir bereits nach zehn Minuten die Lichtung verlassen und ritten auf Lizan zu.
    Als wir dort anlangten, bot sich uns eine sehr lebendige Scene dar. Man hatte mächtige Haufen Holzes errichtet, um die Feuer zu vermehren und zu vergrößern; viele Chaldani waren beschäftigt, Hammel zu schlachten, und sogar zwei prächtige Ochsen lagen erschlagen am Boden, um abgehäutet, ausgenommen, zerstückelt und dann an den Feuern gebraten zu werden. Dazu waren alle Üjütasch des Ortes zusammengeschleppt worden; sie bildeten eine lange Reihe, und an ihnen saßen die Frauen und Mädchen, um Körner in Mehl zu verwandeln und aus dem Mehl dann breite Brodfladen herzustellen.
    Man begrüßte sich zunächst still, und die eine Schaar mengte sich vorsichtig und noch mißtrauisch unter die andere; aber bereits nach einer Viertelstunde hatte man sich in Freundschaft vereinigt, und überall erklangen fröhliche Stimmen, welche den Geist der Höhle lobten, weil er das Leid in Freude verwandelt hatte.
    Wir Honoratioren (ich gebrauche dieses Wort natürlich mit ungeheurem Stolz) saßen im Parterre des Melek vereint, um beim Schmause über die Begebenheiten der letzten Tage zu reden. Natürlich war auch mein wackerer Halef dabei, der meine öffentliche Anerkennung seiner Treue und seines muthigen Verhaltens mit sichtlicher Genugthuung entgegennahm. Der Tag war bereits angebrochen, als ich mich mit den Gefährten in den oberen Raum des Hauses begab, um einige Stunden zu schlafen.
    Als ich erwachte, hörte ich unten die bekannte Stimme des Raïs von Schohrd. Ich eilte hinab und wurde von ihm mit großer Freundlichkeit begrüßt. Er hatte mir Alles mitgebracht, was mir abgenommen worden war; es fehlte nicht das Geringste, und dazu sagte er mir, daß er zu jeder Genugthuung bereit sei, welche ich von ihm fordern möchte. Natürlich wies ich das entschieden

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