Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
schließen? Ich kann nicht begreifen, warum sie den Ort nicht gleich verlassen haben.«
»Ich auch nicht, Sihdi; aber ich habe nichts erfahren können.«
»Ich muß Dich übrigens loben, Hadschi Halef Omar, daß es Dir gelungen ist, uns so nahe zu kommen, ohne daß wir Dich bemerkten. Woraus schlossest Du, daß ich mich grad hier befinden werde?«
»Weil ich Deine Art und Weise kenne, Sihdi, Dir immer einen Ort zu suchen, wo Du nicht gesehen wirst und dennoch Alles sehen kannst.«
»Ruhe Dich jetzt aus. Ich will mir überlegen, was zu thun ist. Allo, führe mein Pferd zur Tränke und gib ihm neues Futter!«
Der Köhler hatte sich noch gar nicht erhoben, um diesem Befehle Folge zu leisten, als der Hund leise anschlug. Am obersten Punkte unsers engen Gesichtskreises erschien ein Reiter, der sich schnell näherte und im Trabe an uns vorüberritt.
»Hallo! Soll ich ihn wegputzen, Master?« fragte Lindsay.
»Um keinen Preis!«
»Ist aber ein Bebbeh!«
»Laßt ihn! Wir sind keine Meuchelmörder!«
»Hätten aber ein Pferd!«
»Werden schon Pferde bekommen.«
»Hm!« lächelte er. »Keine Meuchelmörder, aber doch Spitzbuben! Will Pferde stehlen! Yes!«
Jetzt gab mir dieser eine Bebbeh von Neuem zu denken. Weßhalb hatte er die Seinigen verlassen, und wohin wollte er?
Nach vielleicht einer Stunde wurde mir das Räthsel gelöst, denn er kehrte wieder zurück und ritt vorüber, ohne Ahnung, daß wir ihm so nahe seien.
»Was hat er da unten gesucht, dieser Kerl?« sagte Lindsay.
»Er ist ein Bote.«
»Bote? Von wem?«
»Von dem Scheik Gasahl Gaboya.«
»An wen?«
»An die Abtheilung der Bebbeh, welche ungefähr eine halbe Stunde weiter unten den Weg besetzt hält.«
»Woher wißt Ihr dies?«
»Ich vermuthe es. Dieser Scheik hat auf irgend eine Weise erfahren, daß wir kommen werden, und den Weg an zwei Stellen verlegt, damit die zweite Truppe diejenigen gefangen nehme, welche der ersten Truppe entgehen.«
»Schön ausgedacht, Sir, wenn es wahr ist!«
Dies mußte ich erforschen. Es ward nun verabredet, der Engländer solle nebst Allo bei meinem Pferde in unserem bisherigen Versteck bleiben, während ich mit Halef auf Kundschaft ausginge. Wenn ich aber bis zum Mittag des andern Tages nicht wieder zurückgekehrt sei, so möge Sir David unter Führung des Köhlers auf meinem Rappen nach Bistan reiten und dort bei Allo’s Bruder vierzehn Tage auf mich warten. »Komme ich mit Halef auch dann noch nicht,« – fügte ich bei – »so sind wir todt, und Ihr, Sir David, könnt mein Erbe antreten.«
»Hm! Testament! Schauderhaft! Könnte ganz Kurdistan erschlagen! Erbe? Was denn?« frug der wackere Sohn Albion’s.
»Mein Pferd,« antwortete ich.
»Mag es nicht! Wenn Ihr todt seid, soll dieses Land zu Grunde gehen! Alle Pferde mit! Auch Ochsen, Schafe, Bebbeh, Alles! Well!«
»Nun wißt Ihr Alles. Jetzt habe ich nur noch den Bannah-Kurden zu instruiren.«
»Macht es ihm nur richtig klar, Sir! Kann kein einziges Wort mit ihm reden. Schöne Unterhaltung! Famoses Vergnügen! Prächtig! Konnte daheim in Alt-England bleiben! Brauche keine Fowling-bulls! Yes!«
Ich war gezwungen, ihn seiner gelinden Verzweiflung zu überlassen. Nachdem ich Allo unterrichtet hatte, warf ich die beiden Gewehre über, um mich der Führung Halef’s anzuvertrauen.
Dieser leitete mich ganz genau auf demselben Wege zurück, den er am Morgen eingeschlagen hatte, und lieferte mir dabei den Beweis, daß er mir ein sehr gelehriger Schüler gewesen sei. Er hatte jede, auch die kleinste Deckung benutzt, das Terrain scharfsichtig beurtheilt und die Füße immer so vorsichtig gehalten, daß es selbst einem Indianer nur mit Anstrengung gelungen wäre, die Fährte ohne Stocken zu verfolgen.
Wir gingen beständig unter Bäumen, aber immer so, daß wir zwischen den Stämmen hindurch die offene Gegend vor Augen behielten. Ich hatte den Hund bei mir, und da wir gegen Wind gingen, so brauchten wir vor einer Überraschung keine Angst zu haben.
Endlich waren wir der Gegend nahe gekommen, wo wir überfallen worden waren. Halef wollte mich noch weiter begleiten, ich aber gestattete es nicht.
»Sollte ich gefangen werden,« sagte ich zu ihm, »so weißt Du, wo Du den Engländer zu finden hast. Für jetzt ist es das Beste, Du kletterst auf eine jener Pinien, welche so eng beisammen stehen, daß ihre Äste ein dichtes Versteck bilden. Du kannst ja sehr gut den Knall meiner Büchse oder die raschen Laute meines Stutzens von der Stimme eines andern
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