Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
Gewehres unterscheiden. Ich bin nur dann in Gefahr, wenn Du mich schießen hörst.«
»Was soll ich dann thun?«
»Sitzen bleiben, außer wenn ich laut nach Dir rufe. Jetzt steige hinauf!«
Ich nahm den Hund ganz hart an mich heran und schlich mich weiter. Es war allerdings eine gefährliche Sache, am hellen, lichten Tage sich so nahe an ein feindliches Lager zu wagen, daß man es genau übersehen und beobachten konnte.
Nach einiger Zeit sah ich die erste Hütte durch die Bäume blicken. Sie war in Pyramidenform sehr urwüchsig aus Zweigen errichtet. Jetzt zog ich mich wieder zurück, um zunächst einen weiteren Halbkreis um den Ort zu ziehen; denn ich mußte sehen, ob sich etwa Bebbeh in der Tiefe des Waldes befänden. In diesem Falle hätte ich sie in meinem Rücken gehabt und wäre jedenfalls von ihnen entdeckt worden.
Ich schlich von Baum zu Baum, immer die stärksten Stämme aussuchend und mit aller Aufmerksamkeit in die Einsamkeit des Forstes hineinhorchend. Bald bemerkte ich, daß meine Vorsicht gar nicht überflüssig gewesen sei; denn ich glaubte Menschenstimmen zu vernehmen, und zu gleicher Zeit stieß Dojan mich mit der Schnauze an. Das edle Thier wußte durch seinen Instinkt, daß es jetzt keinen Laut von sich geben dürfe, und sah mich mit seinen großen, klugen Augen unverwandt an.
Als ich mich in der Richtung hielt, aus welcher die Laute gekommen waren, sah ich bald drei Männer unter einem Baume sitzen, welchen von drei Seiten ein junges, ungefähr fünf Fuß hohes Kirschlorbeergehölz umgab. Dieser Ort war wie geschaffen zum Belauschen. Und da ich annahm, daß das gestrige Ereigniß auf alle Fälle der Gegenstand des Gespräches sei, so huschte ich von Weitem um sie herum, legte mich sodann zu Boden und kroch bis zu den Kirschlorbeerbüschen heran, wo ich ihre Worte ganz deutlich vernehmen konnte.
Wie erstaunte ich, als ich in Einem von ihnen den Kurden erkannte, welcher zweimal unter Dojan gelegen hatte und den ich frei ließ, weil er sich für einen Dschiaf ausgab! Auch Dojan erkannte ihn wieder, denn seine Augen funkelten feindselig zu ihm hinüber, obgleich er keinen Laut von sich gab. Allo hatte also recht gesehen. Dieser Kurde war ein Bebbeh und hatte jedenfalls auf Wache gestanden, um unsere Ankunft zu melden. Ganz gewiß hatte er seitwärts im Verborgenen ein Pferd stehen gehabt und war uns vorausgeritten, während wir glaubten, daß er nordwärts gehe.
»Sie waren dumm, Alle!« hörte ich ihn sagen. »Am dümmsten aber war der Mann, welcher den schönen Rappen reitet.«
War da vielleicht ich selbst gemeint? Sehr schmeichelhaft.
»Wenn er die zurückgebliebenen Bejat nicht gefangen genommen und beleidigt hätte,« fuhr der Sprecher fort, »so hätten sie uns dann auch nicht sein Gespräch erzählt, welches sie belauscht hatten, und in welchem er den Weg angab, den sie einschlagen wollten.«
Jetzt war auch dieses Räthsel gelöst. Als wir uns besprachen, uns von den Bejat zu trennen, war unser Plan belauscht worden. Die Bejat hatten ihn dann als Gefangene den Bebbeh verrathen, jedenfalls um sich die Milde ihrer Besieger zu erwerben.
»Dumm war er ferner,« meinte der Nachbar des Vorigen, »daß er sich von Dir betrügen ließ.«
»Ja. Aber dumm war auch Gasahl Gaboya, daß er uns befahl, die Reiter und den Rappen zu schonen. Um die Männer war es nicht Schade, sondern nur um das Pferd. Nun sind uns Vier entflohen, der Anführer mit ihnen, und weil sie keine Pferde mehr haben, ist es ihnen möglich, über die wildesten Berge zu fliehen. Mit den Pferden aber mußten sie den Weg einhalten, den wir ihnen unten verlegt haben.«
Die drei Bebbeh hatten Pilze gesammelt, welche sie hier ausschnitten und reinigten, ehe sie dieselben in das Lager bringen wollten. Dies gab Zeit und Gelegenheit zu einem vertraulichen Austausche der Meinungen.
»Was hat der Scheik nun beschlossen?« frug der Dritte.
»Er hat einen Boten hinab gesandt. Die andere Abtheilung soll warten, bis die Sonne am höchsten steht. Hat sich dann von den Entflohenen noch keiner gefunden, so sollen die Andern aufbrechen und zu uns stoßen, denn dann sind die Flüchtlinge sicher entkommen. Wir aber kehren heute noch zurück.«
»Was geschieht mit den beiden Gefangenen?«
»Das sind vornehme Männer, denn sie haben noch kein Wort gesprochen. Sie werden uns aber noch sagen, wer sie sind,und ein schweres Lösegeld bezahlen müssen, wenn sie nicht sterben wollen.«
Ich hatte nun genug gehört und zog mich vorsichtig wieder
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