Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
erhob.
»Hast Du hier zu befehlen?« frug ich ihn.
»Hast Du hier zu verbieten?« antwortete er mir.
»Ja. Mein verpfändetes Wort gibt mir das Recht dazu.«
»Dein Wort gilt nichts bei uns. Wir sind es müde, uns von einem Manne regieren zu lassen, der unsere Feinde liebt. Du hast vergessen, was ich an Dir that. Ich nahm Dich auf als Gast bei mir; ich beschützte Dich; ich gab Dir sogar das Pferd, welches mir die Hälfte meines Lebens werth war. Du bist ein Undankbarer!«
Ich fühlte, wie mir das Blut aus den Wangen wich und daß die Hand nach dem Dolche zuckte; aber es gelang mir, mich zu bezwingen.
»Nimm das Wort wieder zurück,« antwortete ich kalt, indem ich mich erhob.
Ich gab Halef einen Wink und schritt dann der Stelle zu, wo der gefangene Scheik mit dem Kohlenbrenner lag. Dort setzte ich mich nieder. Keine Minute später saß auch der Engländer bei mir.
»Was gibt es, Master?« frug er. »Zounds, Ihr habt ja Wasser im Auge! Mensch, sagt mir, wen ich erschießen oder erwürgen soll!«
»Den, der diesen Gefangenen anzutasten wagt.«
»Wer ist es?«
»Die Haddedihn. Scheik Mohammed warf mir vor, daß ich undankbar sei. Ich habe ihm den Rappen wiedergegeben.«
»Den Rappen? Seid Ihr verrückt, Master, ein solches Thier zurückzugeben, nachdem es Euer festes Eigenthum geworden war. Aber ich hoffe, daß es sich noch ändern läßt!«
Da kam Halef herbei, zwei Pferde führend; das eine war das seinige, und das andere war das überzählige, welches ichden Bebbeh genommen hatte. Es trug mein Sattelzeug, welches Halef dem Rappen abgenommen hatte. Auch meinem kleinen Hadschi stand ein Tropfen im Auge, und seine Stimme zitterte, als er sagte:
»Du hast recht gehandelt, Herr. Der Scheïtan ist in die Haddedihn gefahren. Soll ich die Peitsche nehmen, um ihn wieder auszutreiben?«
»Ich verzeihe ihnen. Laßt uns aufbrechen!«
»Sihdi, was thun wir, wenn sie den Bebbeh tödten wollen?«
»Wir schießen sie augenblicklich nieder.«
»Das ist mir recht und lieb! Allah steinige diese Schurken!«
Der Gefangene wurde wieder auf sein Pferd gebunden, und wir stiegen auf: ich natürlich nicht auf den Rappen, sondern auf den Bläßfuchs, welcher in Deutschland vielleicht ein Vierhundertthalerpferd gewesen wäre. Der kleine Zug setzte sich in Bewegung und kam an den Haddedihn vorüber, welche noch im Grase saßen. Sie mochten gemeint haben, daß wir nachgeben würden. Jetzt aber, da sie sahen, daß ich Ernst machte, sprangen sie empor.
»Emir, wohin willst Du?« frug Mohammed Emin.
»Fort,« antwortete ich kurz.
»Ohne uns?«
»Wie es Euch beliebt!«
»Wo ist der Rappe?«
»Drüben, wo er angehobbelt war.«
»Maschallah, er ist ja Dein!«
»Er ist wieder Dein. Salama – Allah gebe Dir Friede!«
Ich gab meinem Pferde die Sporen, und wir sausten im Trabe davon. Kaum aber hatten wir eine kleine englische Meile zurückgelegt, so kamen uns die Beiden nach. Amad el Ghandur hatte den Rappen bestiegen und führte sein Pferd an der Hand. Jetzt war es ganz unmöglich geworden, den Hengst zurückzunehmen.
Mohammed Emin kam an meine Seite, während sein Sohn zurückblieb.
»Ich denke, ich soll der Führer sein, Emir!« begann er.
»Wir brauchen einen Führer, aber keinen Tyrannen!«
»Ich will den Bebbeh bestrafen, der mich und meinen Sohn gefangen nahm. Was aber habe ich Dir gethan?«
»Mohammed Emin, Du hast die Liebe und Achtung von drei Männern geraubt, welche für Dich und Deinen Sohn ihr Leben wagten und bis heute für Euch ohne Zaudern in den Tod gegangen wären.«
»Effendi, verzeihe!«
»Ich zürne Dir nicht.«
»Nimm den Hengst zurück!«
»Niemals!«
»Willst Du mein Alter züchtigen und meinen grauen Bart beschämen?«
»Grad Dein Alter und der Schnee Deines Bartes sollten Dir gesagt haben, daß der Zorn nie Gutes thut.«
»Soll unter den Kindern der Beni Arab allüberall erzählt werden, daß der Scheik der Haddedihn ein Geschenk zurückerhielt, weil er nicht würdig war, es zu geben?«
»Man wird es erzählen!«
»Emir, Du bist grausam, denn Du wirfst Schande auf mein Haupt.«
»Du selbst hast es gethan. Ich war Dein Freund und ich liebte Dich; auch heute verzeihe ich Dir. Ich weiß, welche Schande es sein wird, wenn Du zurückkehrst zu den Deinen und den Hengst wieder bringst; ich möchte Dir helfen, aber ich vermag es nicht.«
»Du vermagst es. Du brauchst ja nur den Hengst wieder anzunehmen.«
»Ich würde es thun, Dir zur Liebe und Ehre, aber es ist unmöglich geworden. Blicke
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