Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
meinte er. »Er hat mich doch früher gern getragen!«
»Du vergissest, daß er später mich getragen hat,« erklärte ich, »und ich habe es bisher immer verstanden, ein Pferd so zu gewöhnen, daß es nur denjenigen trägt, dem ich erlaube, es zu reiten.«
»Ich besteige diesen Scheïtan niemals wieder!«
»Du hättest klug gethan, ihn bereits vorher nicht zu besteigen. Hätte ich in diesem Sattel gesessen, so würde uns Gasahl Gaboya nicht entkommen.«
»Steige auf, Emir, und reite ihm nach!« bat Mohammed Emin.
»Beleidige mich nicht!«
»So soll der Bebbeh entkommen?«
»Er wird es; doch nur durch Deine Schuld!«
»Schauderhaft!« klagte der Engländer. »Dumme Geschichte! Ärgerlich! Höchst unangenehm! Yes!«
»Was ist zu thun, Sihdi?« frug Halef.
»Um den Bebbeh wieder zu erlangen? Nichts. Ich hätte ihm den Hund nachgeschickt, wenn dieser mir nicht so werthvoll wäre. Nun aber gilt es, einen Entschluß zu fassen.« Mich an die Haddedihn wendend, erkundigte ich mich: »Habt Ihr heute früh, als ich fern war, um den Dachs zu schießen, in Gegenwart des Bebbeh von dem Weg gesprochen, den wir einschlagen wollen?«
Sie zögerten mit der Antwort, Halef aber sagte:
»Ja, Sihdi, sie sprachen davon.«
»Aber nur arabisch,« entschuldigte sich Mohammed.
Wäre seine Erscheinung nicht so ehrwürdig gewesen, so wäre er einer geharnischten Zurechtweisung wohl nicht entronnen; so aber zwang ich mich zu einem ruhigen Tone:
»Ihr habt nicht klug gehandelt. Was habt Ihr gesagt?«
»Daß wir nach Bistan gehen.«
»Weiter nichts? Denke nach! Es kommt hier darauf an, jedes Wort zu wissen, welches gesprochen worden ist. Eine Kleinigkeit, die Ihr verschweigt, kann großen Schaden bringen.«
»Ich sagte, daß wir von Bistan vielleicht nach Achmed Kulwan, jedenfalls aber nach Kizzeldschi reiten würden, um an den Kiupri-See zu kommen.«
»Du warst ein Thor, Scheik Mohammed! Ich zweifle gar nicht, daß Scheik Gasahl Gaboya uns verfolgen wird. Glaubst Du noch immer, unser Anführer sein zu können?«
»Emir, verzeihe mir! Aber ich bin überzeugt, daß der Bebbeh uns nicht ereilen wird. Er hat zu weit zurück zu reiten, um die Seinigen zu treffen.«
»Meinst Du? Ich bin bei vielen Völkern gewesen, deren Charakter ich kennen gelernt habe, und darum ist es nicht so leicht, mich zu täuschen. Der Bruder des Scheik ist ein ehrlicher Mann, aber er ist nicht der Anführer der Bebbeh. Er hat bei ihnen nur freien Abzug für uns erreichen können, und ich gebe meinen Kopf zum Pfande, daß sie uns gefolgt sind, ohne sich sehen zu lassen. Solange der Scheik sich in unseren Händen befand, waren wir sicher; nun aber müssen wir Besorgniß hegen. Sie werden sich rächen wollen für Alles, auch für die Pferde, welche wir ihnen tödteten.«
»Wir brauchen sie nicht zu fürchten,« tröstete Amad el Ghandur; »denn eben dieser Pferde wegen können uns nicht Alle folgen. Und wenn sie kommen, werden wir sie mit unseren guten Gewehren empfangen.«
»Das klingt gut, ist aber nicht so. Sie haben gesehen, daß wir ihnen im offenen Kampfe überlegen sind; sie werden uns abermals einen Hinterhalt legen oder uns gar des Nachts überfallen.«
»Wir stellen Wachen aus!«
»Wir sind nur sechs Mann, und wenigstens so viele Wachen brauchen wir, um uns leidlich sicher fühlen zu können. Wir müssen an etwas Anderes denken.«
Unser Führer, der Kohlenbrenner, hielt ein wenig seitwärts von unserer Gruppe. Er befand sich in Verlegenheit, denn er erwartete Vorwürfe darüber, daß er den Haddedihn nicht gehindert hatte, den Gefangenen zu befreien.
»Wie weit nach Süden reiten die Bebbeh?« frug ich ihn.
»Bis zum See hinab,« antwortete er.
»Kennen sie die Gegend genau?«
»Ganz genau. Sie kennen,« sagte er, »so gut wie ich jeden Berg und jedes Thal zwischen Derghezin und Miek, zwischen Nweizgieh und Dschenawera.«
»Wir müssen,« fuhr ich fort, »einen andern Weg einschlagen, als wir vorher wollten. Nach West dürfen wir nicht. Wie weit ist es von hier nach Ost bis an die Hauptkette des Zagrosgebirges?«
»Acht Stunden, wenn wir durch die Luft reiten könnten.«
»Da wir aber auf der Erde reiten müssen?«
»Das ist verschieden. Ich kenne weiter unten einen Paß. Wenn wir gegen Sonnenaufgang reiten, so übernachten wir in einem sichern Walde und erreichen morgen, wenn die Sonne am höchsten steht, das Zagrosgebirge.«
»Dort muß aber wohl die persische Grenze sein, wenn ich nicht irre?«
»Ja, denn dort grenzt das
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