Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
zurück!«
Er sah sich um, schüttelte aber den Kopf.
»Ich sehe nichts. Was meinst Du, Emir?«
»Siehst Du nicht, daß der Rappe bereits einen Besitzer hat?«
»Jetzt verstehe ich Dich, Effendi. Amad el Ghandur wird absteigen.«
»Aber ich werde das Pferd nicht nehmen. Er hat seinen Sattel aufgelegt und das Thier bestiegen; dies ist ein Zeichen, daß Ihr es von mir zurückgenommen habt. Brächtest Du es mir so herbei, wie ich es Dir zurückgelassen habe, ungesatteltund unberührt, so würde ich denken, daß wir Freunde waren, und ich könnte die Schmach von Dir nehmen. Amad el Ghandur hat mir vorgeworfen, daß ich ein Christ bin und als solcher handle; nun wohl, er ist ein Moslem, ohne als solcher zu handeln; denn er besteigt ein Pferd, dessen Rücken einen Christen trug. Erzähle dies den Gläubigen, mit denen Du zusammenkommst!«
»Allah il Allah! Was haben wir für Fehler begangen!«
Der alte Scheik dauerte mich, aber ich konnte ihm nicht helfen. Sollte ich eine Schande auf mich laden, um ihm die seine zu ersparen? Nein! Ich konnte gar nicht begreifen, was den beiden so verständigen Männern auf einmal in den Kopf gefahren war. Persönliche Rücksichten waren sicher nicht der Grund. Vielleicht war der Keim zu ihrem Verhalten schon lange Zeit in ihnen versteckt gewesen und von mir gepflegt worden durch die Nachsicht, mit welcher ich unsere Gegner behandelt wissen wollte. Die Schonung aber, welche ich gegen die beiden Bebbeh gezeigt hatte, war dann der Tropfen gewesen, welcher das Gefäß überlaufen läßt. Aber trotzdem mir der Verlust des Hengstes mehr als genug zu Herzen ging, fiel es mir gar nicht ein, meine milden Anschauungen den rachsüchtigen Gewohnheiten dieser Nomaden zu opfern.
Der Haddedihn ritt lange schweigend neben mir her. Endlich frug er zagend:
»Warum zürnest Du so anhaltend?«
»Ich zürne Dir nicht, Mohammed Emin; aber es betrübt mich, daß Dein Herz sich nach dem Blute derjenigen sehnt, denen Dein Freund verziehen hatte.«
»Wohlan, so werde ich diesen Fehler wieder gutmachen!«
Er wandte sich um. Hinter mir ritt der Engländer mit Halef; dann kam Allo mit dem Gefangenen, zuletzt Amad el Ghandur. Ich wandte mich nicht zurück, weil ich glaubte, Mohammed Emin wolle mit seinem Sohne sprechen; auch Halef und Lindsay drehten sich aus demselben Grunde nicht um. Wir thaten es erst, als wir die laute Stimme des Haddedihn vernahmen:
»Reite zurück, und sei frei!«
Der erste Blick überzeugte mich, daß er die Fessel des Gefangenen zerschnitten hatte, der seinem Pferd sofort in die Zügel griff, um im Galopp davon zu sprengen.
»Scheik Mohammed, was hast Du gethan!« rief Halef.
»Thunder-storm, was fällt dem Menschen ein!« schrie der Engländer.
»Habe ich recht gehandelt, Emir?« frug Mohammed.
»Wie ein Knabe hast Du gehandelt!« zürnte ich.
»Ich wollte Deinen Willen thun,« entschuldigte er sich.
»Wer hat Dir gesagt, daß ich wünsche, ihn so schnell frei zu sehen? Die Geisel ist verloren, nun sind wir wieder in Gefahr!«
»Allah istafer – Gott verzeihe ihm!« rief Halef. »Laßt uns dem Bebbeh nachjagen!«
»Wir werden ihn nicht einholen,« wandte ich ein. »Unsere Pferde sind ihm nicht überlegen; nur der Rapphengst ist schneller.«
»Amad, ihm nach!« gebot Mohammed Emin seinem Sohne. »Bringe ihn zurück oder tödte ihn!«
Der Angerufene wandte den Rappen und sprengte davon. Er hatte kaum fünfhundert Schritte zurückgelegt, so weigerte sich sein Pferd, ihn weiter zu tragen, doch war er nicht der Mann, sich so leicht abwerfen zu lassen; er zwang das Thier vorwärts. Natürlich ritten wir ihm nach. Er war hinter einer Krümmung verschwunden. Als auch wir dieselbe hinter uns hatten, sahen wir ihn in ziemlicher Ferne abermals mit dem edlen Thiere kämpfen. Er brachte alle seine Kraft und alle seine Geschicklichkeit zur Geltung, doch vergeblich; denn er flog endlich doch aus dem Sattel. Das Pferd aber wandte sich zurück, kam herbei gerannt und hielt an meiner Seite an, den schönen Kopf unter zärtlichem Schnauben an meinem Schenkel reibend.
»Allah akbar – Gott ist groß!« meinte Halef; »er gibt einem Pferde ein besseres Herz, als viele Menschen es haben. Wie Schade, Sihdi, daß Deine Ehre nicht erlaubt, es wieder zurückzunehmen!«
Der Haddedihn hatte einen nicht leichten Fall gethan, er konnte sich nur schwer erheben; doch als ich ihn untersuchte, zeigte es sich, daß er ohne wirkliche Verletzung davongekommen war.
»Dieser Hengst ist ein Teufel!«
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