Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
vermochten, umweht vom Hauche der Pest, inmitten uncivilisirter, fanatischer Thoren, gegen die wir keine andere wirklich hinlängliche Waffe hatten, als eben diese – Pest. Nach Hilla oder einem anderen Orte durften wir nicht; man hätte uns sofort umgebracht. Was wäre ich hier gewesen ohne den Beistand des wackeren Halef, der Alles wagte, um mir seine Liebe und Treue zu beweisen!
Es war heut der vierte Tag der Krankheit, und ich hatte gehört, daß dieser Tag der entscheidende sei. Ich blieb dabei, Rettung nur vom Wasser und von der freien Luft zu erwarten, und obgleich mein Körper unter den Anstrengungen der letzten Zeit sehr gelitten hatte, glaubte ich, daß ich dem Reste meiner Kräfte mehr Vertrauen schenken dürfe, als irgend einer Arznei, über deren Anwendung und Wirkung ich nicht einmal im Klaren war.
Gegen Abend ließ das Fieber nach, und auch in dem Absceß verminderte sich die Heftigkeit des Schmerzes. Ich schlief des Nachts einige Zeit recht erquicklich, und als ich am nächsten Morgen Halef die Zunge zeigte, welche wieder feucht zu werden begann, erklärte er, daß die schwarze Färbung derselben fast verschwunden sei. Jetzt begann ich auf Genesung zu hoffen, erschrack aber am Nachmittag nicht wenig, als der treue Diener nun selbst über Kopfweh, Schwindel und Frost zu klagen begann. Schon während der Nacht hatte ich die Gewißheit, daß ihn die Ansteckung ergriffen hatte. Ich sah ihn nach dem Wasser gehen, um mir einen Trunk zu holen; er taumelte.
»Halef, Du fällst!« rief ich erschrocken.
»O, Sihdi, es dreht sich Alles mit mir herum!«
»Du bist krank! Es ist die Pest!«
»Ich weiß es.«
»Ach, ich habe Dich angesteckt!«
»Allah hat es gewollt; es stand im Buche verzeichnet. Ich werde sterben; Du aber wirst zu Hanneh gehen und sie trösten.«
»Nein, Du wirst nicht sterben; ich werde Dich pflegen.«
»Du?« frug er kopfschüttelnd. »Du ringst ja selbst noch mit dem Tode, der Dich nicht frei geben will!«
»Ich bin bereits auf dem Wege der Besserung; ich werde nicht weniger an Dir thun, als was Du an mir gethan hast.«
»O, Sihdi, was bin ich gegen Dich! Laß mich hier liegen und sterben!«
Also so sehr hatte ihn die der Pest charakteristische Niedergeschlagenheit bereits ergriffen! Er hatte sich gewiß genug gewehrt, um mich so lange wie möglich über seinen Zustand in Unkenntniß zu erhalten. Jetzt gelang ihm dies nicht mehr, und einige Stunden später sprach er irre. Vielleicht hatte er schon mit mir den Stoff der Krankheit eingesogen, als wir in Bagdad das Nahen der Todeskaravane beobachteten, und nun entwickelte sich bei ihm die schwerste, die biliöse Form der Pest, in welcher alle Zufälle mit vermehrter Heftigkeit auftreten.
Ich konnte mich selbst nur mit äußerster Anstrengung auf kurze Zeit emporraffen, um ihm die Pflege zu Theil werden zu lassen, deren ich selbst noch so sehr bedurfte. Es war eine Zeit, an welche ich mit Schauder zurückdenke, obgleich ich sie hier am besten übergehe.
Auch Halef wurde gerettet, doch befand er sich noch am zehnten Tage seiner Krankheit so schwach, daß ich ihn von Stelle zu Stelle heben mußte, und ich selbst konnte mit der schweren Büchse noch keinen sichern Schuß aus freier Hand thun. Es war bei all’dem ein Glück, daß unser Schmerzenslager unentdeckt blieb. Als ich mich zum ersten Male im Wasser spiegelte, erschrack ich über den dicht bebarteten Todtenkopf, welcher mir da entgegengrinste. Es war kein Wunder, daß Geier über uns ihre Kreise zogen und die Hyänen und Schakale, welche aus den Ruinen zur Tränke kamen, durch das Schilf schauten, um zu sehen, ob wir nicht bald zu verspeisen seien. Sie mußten stets in höchster Eile abziehen, denn Dojan, der Windhund, war nicht sehr gastfreundlich gegen sie gesinnt.
Meinen ersten Ausgang unternahm ich zum Grabe der Perser, welches sich noch im unversehrten Zustande befand. Ich war zu Fuße herbei gekommen und saß wohl eine Stunde lang am Thurme, und die lebensvollen Bilder der Abgeschiedenen standen vor meinem geistigen Auge. Da gab der Hund, welchen ich bei mir hatte, Laut. Ich wandte mich um und erblickte einen Trupp von acht Reitern mit einigen Falken und einer Koppel Hunde. Sie hatten mich schon bemerkt, und kamen nahe zu mir heran.
»Wer bist Du?« fragte der Mann, welcher der Anführer zu sein schien.
»Ein Fremder.«
»Was thust Du hier?«
»Ich trauere um die Todten, welche ich hier begraben habe.«
Dabei deutete ich nach dem Grabe.
»Welcher Krankheit sind sie
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