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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Gange war er nicht, denn dort hatte ich die Ecken der Seitenwände in den Händen gehabt. Es blieben also nur noch die beiden Seiten übrig. Ich wandte mich zunächst nach links. Nicht Zoll um Zoll, sondern Linie um Linie rückte ich vor; nach zehn Minuten wußte ich, daß er auch hier nicht war. Nun gab es nur noch die letzte Richtung, rechts, und ich schob mich dort hinüber.
    Wohl bis an den Mittelpunkt der Kreuzung mochte ich gekommen sein, als es mir war, als ob ich ein leises, ganz leises, anhaltendes Geräusch vernehme. Ich strengte mein Gehör an und rückte noch einige Zolle weiter. Richtig! Das war das Ticken einer Taschenuhr, jedenfalls der meinigen, die er mir abgenommen hatte. Hier also endlich fand ich ihn, und hier war folglich die Richtung in das Freie. Wie aber hinaus gelangen? Konnte ich an ihm vorüber?
    Um dies zu wissen, mußte ich zu erfahren suchen, welche Stellung er eingenommen hatte: ob er lag, saß oder stand. Ich wagte jetzt das Äußerste und näherte mich immer mehr. Ihn packen, um mit ihm zu ringen, konnte ich nicht wagen, denn es verstand sich ganz von selbst, daß er jetzt das Messer nicht für zureichend halten konnte und sich mit einer Schießwaffe versehen hatte. Er hatte wohl gar in jeder Hand einen meiner Revolver, mit denen er ja sicher umzugehen verstand.
    Meine Hände schoben sich so vorsichtig und leise vor, wie die Fühlhörner einer Schnecke. Das Ticken wurde vernehmlicher, und jetzt – pst! – jetzt war ich mit der Spitze des Mittelfingers an ein Stück Zeug gestoßen. Er befand sich also unmittelbar vor mir; er durfte nur die Hand ausstrecken, so hatte er mich. Und in dieser gefährlichen Nähe vergingen wohl abermals zehn Minuten, ehe ich wußte, daß er lag, und zwar quer über den Gang herüber.
    Sollte ich über ihn hinwegsteigen? Sollte ich ihn durch eine List fortlocken? Ich wählte das Erstere. Es war zwar das Gefährlichere, aber dafür auch das Sichere. Ein sorgfältiges Ausfühlen mit den Fingerspitzen brachte mir das Ergebniß, daß er die Füße über einander geschlagen hatte. Das war mir lieber, als wenn er sie weit aus einander gespreizt gehabt hätte. Ich erhob mich langsam, trat ganz an ihn hinan und hob das eine Bein in die Höhe. Wenn er jetzt seine Stellung veränderte! Es war ein höchst kritischer Augenblick. Aber ich brachte das Bein glücklich hinüber und zog das andere nach.
    Nun war das Schwierigste überwunden. Ich brauchte mich nicht mehr nieder zu legen, sondern konnte mich aufrecht fortbewegen. Je mehr ich mich von ihm entfernte, desto sicherer konnte ich auftreten und desto schneller kam ich weiter. Nach kurzer Zeit tappte ich mich bereits im gewöhnlichen Gehschritt vorwärts undmerkte auch, daß die Luft sich veränderte. Nach weiterer Zeit fühlte ich Stufen unter den Füßen. Ich stieg empor; es wurde heller und heller; ich kam an eine kleine Öffnung, über welcher ein dichtes Wacholdergesträuch seinen aromatischen Duft verbreitete, und zwängte mich hinaus.
    Gott sei Dank! Ich war befreit! Aber ich stand auf einer ganz anderen Seite des Sonnentempels. Jetzt war Eile nothwendig, wenn wir den Mann fassen wollten, denn die Sonne stand bereits am Horizonte. Ich eilte also um den Tempel herum dem Orte zu, an welchem sich die Freunde befanden.
    Als ich dort anlangte, wurde ich mit stürmischen Fragen begrüßt. Man hatte mich vermißt und gesucht, aber nicht gefunden. Jetzt war sogar der Kodscha Pascha gekommen, um seinen Beistand anzubieten, wenn man mich suchen wolle.
    Ich erzählte mein seltsames Erlebniß und erregte dadurch ebenso große Bestürzung wie Freude.
    »Allah sei Dank! Wir haben ihn!« rief Jacub. »Auf, laßt uns in den Gang gehen, ihn zu fangen!«
    Die Anwesenden griffen alle zu ihren Waffen.
    »Halt!« meinte der Kodscha Pascha. »Wartet, bis ich in die Stadt gegangen bin, um mehr Männer zu holen.«
    »Wir sind Männer genug!« rief Halef.
    »Nein,« antwortete der Kodscha. »Diese tiefen Gänge haben ihre Geheimnisse. Da gibt es Aus- und Eingänge, welche Ihr nicht kennt. Wir brauchen wenigstens fünfzig Mann, um die Ruinen zu umstellen.«
    »Wir sind neun Männer; das ist genug!« behauptete Jacub. »Was sagest Du dazu?«
    Diese Frage war an mich gerichtet. Auch ich hielt es für das Beste, schnell zu handeln; ebenso auch Lindsay, als ich ihm die Lage der Dinge erklärte. Und so wurde denn beschlossen, sofort an das Werk zu gehen.
    »Aber wie steht es mit der Beleuchtung?« fragte ich.
    »Ich hole Licht,« sagte der

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