Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
Kodscha Pascha.
»In der Stadt? Das währt zu lange!«
»Nein, ganz in der Nähe. Da drüben in den Ruinen wohnt ein Panbukdschi, der mehrere Lampen hat.«
Er eilte fort, während wir den Feldzugsplan verabredeten.
Sowohl der Eingang, durch welchen ich getreten war, als auch der Ausgang, durch welchen ich den Gang verlassen hatte, mußte besetzt werden. Bei den Sachen mußte auch Jemand bleiben; das erforderte wenigstens drei Personen. Am Ausgange genügte eine Person, da wir dort ja in die Tiefe stiegen und dem Gesuchten nach dieser Richtung die Flucht fast unmöglich machten; aber an der Doppelsäule, bei der ich eingetreten war, hielten wir zwei Personen für nöthig. Dies waren mit dem Einen, der, wo nicht gar Zwei, bei unseren Effecten zu bleiben hatte, vier Personen. Es waren also die übrigen Vier oder Fünf, welche hinabsteigen und den Dieb bewältigen sollten.
Wie nun diese Rollen vertheilen? Ich mußte jedenfalls mit hinab; da Halef ein guter Anschleicher war, so wählte ich diesen zum Begleiter, dazu den Kodscha Pascha, seiner amtlichen Eigenschaft wegen. Als Vierter bot sich Lindsay an. Ich wies ihn ab, da ich wünschte, daß er bei den Sachen bleiben möge. Es galt ja, die Kostbarkeiten zu bewachen, um deren willen wir das Alles unternommen hatten; aber er gab nicht nach, und die Andern redeten mir zu, so daß ich einwilligen mußte.
Zurückbleiben mußte Jacub, weil die Pretiosen ihm gehörten, nebst Lindsay’s Diener. An die Doppelsäule sollten sich die beiden Irländer und an den Ausgang der Diener Jacub’s stellen. Den Besitzer von Jacub’s Miethpferden konnten wir nicht verwenden, weil er sich in der Stadt bei den Thieren befand.
So war denn die Eintheilung getroffen. Ich steckte meine Pistolen zu mir, als einzige Waffen, welche ich nebst dem Messer mit mir nahm; Bill erhielt den Henrystutzen, und Fred meine Büchse; dann wurde einem Jeden sein Posten übergeben. Es war seit meiner Rückkehr immerhin eine halbe Stunde vergangen, als ich wieder vor dem Wacholdergebüsche stand. Der Kodscha Pascha und Lindsay trugen die Lampen, allerdings noch unangezündet, und ich stieg mit Halef voran. Unten an den Stufen ließen wir Alle unsere Fußbekleidungen zurück; dann schlichen wir vorwärts.
Ich führte Halef an der Hand. Er streifte drüben mit seiner ausgestreckten Rechten, und ich hüben mit meiner Linken die Wand, so daß uns nichts entgehen konnte. Unangenehm war es, daß bei dem Kodscha Pascha hinter uns sich zuweilen ein leises Knacken seiner Zehenknöchel hören ließ.
Wir erreichten die Kreuzung der zwei Gänge. Dort gab ich den zwei uns Nachfolgenden durch einen leisen Stoß das Zeichen, daß sie stehen bleiben sollten, und legte mich dann mit Halef auf den Boden, um zur Stelle zu kriechen, an welcher ich den Gesuchten gelassen hatte. Wir hatten es so ausgemacht, daß ein Jeder von uns eine seiner jedenfalls bewaffneten Hände ergreifen solle, worauf die andern Beiden herbei eilen müßten, um ihn zu binden.
Unter langsamen Bewegungen gelangten wir hin, aber – er war nicht mehr da. Was nun? Hatte er sich vor einen der andern drei Gänge gelegt? Wir untersuchten auch das und fanden, daß er nicht da sei. Er mußte in einem der drei Gänge sein, aber weiter hinten. Wir gingen zu den zwei Begleitern zurück, welche mit Spannung unsern Hilferuf erwartet hatten.
»Er ist nicht mehr hier,« flüsterte ich halblaut. »Gehet eine Strecke zurück und brennt die Lampen an. Stellt Euch aber davor, daß ihr Schein ja nicht in die andern Gänge leuchtet.«
»Was thut Ihr nun, Master?« fragte Lindsay.
»Wir durchsuchen die drei Gänge.«
»Ohne Lampe?«
»Ja. Das Licht würde uns gefährlich sein, da er dann ein sehr leichtes Zielen auf uns bekäme, gar nicht gerechnet, daß er uns schon von Weitem bemerken müßte.«
»Aber wenn Ihr ihn trefft, und wir sind nicht da?«
»So werden wir uns behelfen müssen.«
Nun ging es vorwärts, zunächst in den Gang hinein, in welchem ich den Brunnen gefunden hatte. Die ganze Breite des Ganges einnehmend, thaten wir etwas über zweihundert Schritte, ohne zuvor zu probiren; dann aber mußten wir vorsichtig sein. Wir erreichten das Loch, ohne Abrahim angetroffen zu haben, und kehrten wieder um.
Nun ging es in den zweiten Gang. Hier mußten wir uns in Acht nehmen, um nicht in Gefahr zu gerathen. Wir schlichen also nur ganz langsam vorwärts, und es verging über eine Viertelstunde, ehe wir das Ende des Ganges erreichten. Wir standen vor der
Weitere Kostenlose Bücher