Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
ärmerer Araber hätten das Logis inne, also drei Männer, welche genug mit sich selbst zu thun hätten. Da die Wohnungen zusammenstießen, so brauchte ich, wenn ich des Juden bedurfte, nur an die Wand zu pochen; er mußte es hören.
Als ich unsere Vorderthüre erreichte, war sie nur angelehnt, und Omar stand auf der Wache. Er sagte mir, daß bereits mehrere Personen das Nachbarhaus betreten hätten. Dieselben seien durch das Loch neben dem Eingange nach ihrem Begehr gefragt worden und hätten dann mit dem Worte »El Nassr« geantwortet. Ich bat ihn, das Haus zu verschließen und mir nach der Wohnung zu folgen. Halef befand sich im Hofe; er hatte nichts gesehen und gehört und kam mit uns in die Wohnung. Hier brannte kein Licht, und ich zog es vor, im Dunkeln zu bleiben.
Nachdem ich ihnen meine Unterhaltung mit Baruch erzählt hatte, untersuchte ich die rechte Wand des Selamlik und fand sehr leicht das Brett, welches sich verschieben ließ. Ich zog es bei Seite und langte mit der Hand dahinter. In der Entfernung einer Balkenbreite fühlte ich die Bretterwand des Nebenhauses und zugleich das entsprechende Brett derselben. Ich schob auch dieses leise, ganz leise fort und bemerkte, daß der dahinter liegende Raum vollständig dunkel sei. Ich brachte also die Wand wieder in ihre vorige Ordnung, und dann zogen wir uns die Strohsäcke und Decken herbei, um im Finstern zu warten, ob wir vielleicht etwas erlauschen könnten.
So mochten wir wohl über eine Stunde gesessen haben, indem wir uns nur flüsternd unterhielten, als sich drüben ein Geräusch vernehmen ließ. Ich saß hart vor dem Brett und schob es zur Seite. Ich hörte schwere Schritte von mehreren Männern, und ein Ächzen; dann erklang eine Stimme:
»Hierher! So! Hassan mag sich zum Gehen fertig machen!« Und nach einer Pause fuhr die Stimme fort: »Kerl, Du kannst doch schreiben?«
»Ja,« hörte ich antworten.
»Hast Du Geld in Deinem Hause?«
»Du verlangst Geld! Was habe ich Euch gethan, daß Ihr mich hierher lockt und dann bindet?«
»Gethan? Nichts, gar nichts! Deinen Geldbeutel, Uhr und Ringe, auch Deine Waffen haben wir, aber das ist noch nicht genug. Wenn Du nicht geben kannst, was wir verlangen, so findet man Dich morgen früh im Wasser.«
»Allah kerihm! Wie viel verlangt Ihr?«
»Du bist reich; fünftausend Piaster ist nicht zu viel für Dich.«
»Es ist zu viel, denn ich habe sie nicht.«
»Wie viel hast Du daheim?«
»Dreitausend kaum.«
»Wird man sie Dir schicken, wenn Du einen Boten sendest? Belüge uns nicht, denn ich schwöre Dir, daß es Deine letzte Stunde ist, wenn wir das Geld nicht erhalten!«
»Allah ‘l Allah! Man wird es Euch senden, wenn ich einen Brief schreibe und mit meinem Ring untersiegle.«
»Den Ring werde ich Dir borgen. Bindet ihm die Hände los; er mag schreiben!«
Von jetzt an war eine Weile kein Geräusch zu vernehmen und auch kein Wort zu hören. Ich legte mich auf den Strohsack nieder und langte in die Wand hinein. So leise und vorsichtig wie möglich schob ich auch das zweite Brett zur Seite, bis ein schmaler Spalt entstand, durch den ich zu blicken vermochte. Grad vor dem Spalte saß ein Mann, mit dem Rücken nach uns gekehrt. Sein Kopf war unbedeckt und die Kleidung zerrissen, als ob sie bei seiner Gegenwehr zu Schaden gekommen sei. Vor ihm standen drei bewaffnete Kerle: der Eine in griechischer Tracht, jedenfalls der Wirth, und die beiden Anderen in gewöhnlicher türkischer Kleidung. Sie sahen zu, wie er jetzt auf seinem Knie das Schreiben versiegelte.
Ich schob das Brett in seine vorige Lage zurück und horchte weiter. Nach ganz kurzer Zeit hörte ich den Griechen sagen:
»So! Bindet ihn wieder, und schafft ihn nebenan. Wenn er sich da nicht ruhig verhält, wird er einfach erstochen. Du hast’s gehört, merke es Dir!«
Ich vernahm, daß man eine Thür öffnete und sich dann wieder entfernte.
Es wurde drüben wieder still, und ich sagte den beiden Anderen leise, was ich gesehen und gehört hatte.
»Das sind Diebe,« meinte Halef. »Was thun wir?«
»Das sind nicht nur Diebe, sondern Mörder,« flüsterte ich. »Glaubst Du denn, daß sie den Mann wieder frei geben? Sie wären ja sogleich verloren. Sie werden warten, bis siedie dreitausend Piaster erhalten haben, und ihn dann unschädlich machen.«
»So müssen wir ihm helfen!«
»Ohne Zweifel! Aber wie?«
»Wir werden die Bretter zerschlagen und ihn befreien.«
»Das macht Lärm und ist gegen unsern Zweck. Es kann einen Kampf geben, der
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