Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
das darf ich keinem Menschen sagen; ich wäre verloren!«
    »Auch mir nicht?«
    »Ihnen ganz und gar nicht, denn Sie wären im Stande, dasselbe zu thun, was ich gethan habe, und dabei könnte es Ihnen ganz so gehen wie jenem Manne, der aufgehängt ward.«
    »Vielleicht sagen Sie bloß, daß Sie etwas gesehen haben, um mich furchtsam zu machen!«
    »Effendi, wahrlich, ich lüge nicht!«
    »Das denke ich wohl auch, aber vielleicht haben Sie nur geträumt.«
    Das half. Der Alte wollte weder für einen Lügner noch für einen Träumer gehalten sein und meinte deßhalb:
    »Ich will gar nichts sagen, aber ich bitte Sie nur, weder das Brett noch die Stange anzurühren.«
    »Welches Brett?«
    »In der rechten Wand Ihres Selamlik ist ein Brett locker; es hängt nur noch am obersten Nagel, und daher kann man es unten zur Seite schieben. Dann kommt ein kleiner Zwischenraum, hinter welchem sich die Bretterwand des Nachbarhauses befindet; auch da ist ein Nagel los; ich selbst habe ihn herausgemacht. Schiebt man das Brett zur Seite, so blickt man in das Gemach, in welchem die Opiumraucher liegen, und daneben hört man die Gläser klingen und die Knaben und Mädchen lachen.«
    »Da sind Sie sehr unvorsichtig gewesen! Wenn man nun auch drüben einmal bemerkt, daß die Bretter locker sind!«
    »Ich wollte doch sehen, was man drüben treibt, und so mußte ich den Nagel entfernen, anders ging es nicht.«
    »Es wäre doch anders und besser gegangen. Sie brauchten nur in das Brett des Nachbarhauses ein kleines Loch zu bohren, so klein, daß es drüben nicht bemerkt werden kann.«
    »Da hätte ich zu wenig sehen können.«
    »Und was ist es mit der Stange?«
    »Sie liegt in dem Schuppen, der an das Nachbarhaus stößt, und ist lang genug, daß man sie als Leiter gebrauchen und an ihr emporklettern kann. Auch die Wand des Hofgebäudes besteht nur aus Brettern, und ich kenne eines derselben, welches ein Astloch und eine große Ritze hat. Wenn man hindurchblickt, so sieht man eine große, lange Kammer, in welcher sich die Männer versammeln, wenn sie ihre Beute vertheilen.«
    »Welches Brett ist es?«
    »Ich habe, um es mir leicht merken zu können, einen Kalkstrich daran gemacht.«
    »Aber wie kommt es, daß Sie keine Anzeige erstattet haben? Das wäre doch Ihre Pflicht gewesen!«
    »Effendi, meine erste Pflicht ist, mir das Leben zu erhalten. Ich will nicht auch aufgehängt werden.«
    »Sie wären aber von der Polizei ja doch nicht verrathen worden!«
    »Herr, Sie wohnen wohl noch nicht lange in Stambul? Als ich durch das Astloch blickte, habe ich vornehme Herren gesehen; ich habe auch Derwische und Khawassen erkannt. Es gibt manchen hohen Mansubli, dem der Großherr kein Gehalt bezahlt und der deßhalb nur von dem Bakschisch lebt, welches er überall herauszupressen sucht. Und was soll ein solcher Mann thun, wenn auch das Bakschisch nicht hinreichend ist? Wer Ihren Nachbar anzeigt, der kommt wohl grad zu einem Karawulder oder Kadi, welcher mit da drüben in der Kammer gesessen hat, und dann ist es ganz sicher um ihn geschehen. Nein, ich weiß nun, was in jenem Hause vorgeht, und werde mich nicht weiter darum kümmern. Nur Ihnen allein habe ich es mitgetheilt, und ich hoffe, daß Sie sich von mir warnen lassen!«
    Ich hatte nun genug erfahren und hütete mich, noch weiter in Baruch zu dringen. Ich hegte jetzt die Überzeugung, daß ich selbst mit meinen Gefährten mich in Gefahr befand. Der Grieche erfuhr jedenfalls, daß er eine neue Nachbarschaft bekommen habe; er erkundigte sich auf alle Fälle nach uns und ließ uns aufmerksam beobachten. Dies Letztere war ihm sehr leicht und konnte geschehen, ohne daß wir es merken mußten, da er nur durch eine Bretterwand von uns getrennt war. Des Tages über durften wir uns nur unter großer Vorsicht in den Hof begeben, denn es war ja möglich, daß uns Jemand sah, der uns von früher kannte. Deßhalb war es gut, daß ich Baruch unsere Bedienung übertragen hatte; auf diese Weise konnten wir ruhig in der Wohnung stecken bleiben.
    Meine Gefährten hatten vielleicht das Licht brennen lassen. Das konnte durch irgend eine Ritze hinüber in das Nachbarhaus scheinen, oder sie sprachen an einem Orte zusammen, wo sie von drüben gehört werden konnten. Darum litt es mich nicht länger bei dem Juden, und ich kehrte nach Hause zurück. Vorher aber instruirte ich noch Baruch, wie er sich zu verhalten habe, falls er nach uns gefragt werde. Er hatte zu sagen, ein armer Schreiber, ein Hammal und ein noch

Weitere Kostenlose Bücher