Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
Sung Tscheet, das »himmlische Buch,« wird sie von den Chinesen genannt – so weist auch das fromme Kirchenlied die Sehnsucht nach Gottes Liebe und Segen immer nach oben.
»Befiel Du Deine Wege
Und was Dein Herz nur kränkt,
Der allertreusten Pflege
Deß, der den Himmel lenkt.
Der Wolken, Luft und Winden
Giebt Wege, Lauf und Bahn,
Der wird auch Wege finden,
Wo Dein Fuß gehen kann!«
singt Paul Gerhardt, und nie ist wohl das Gottvertrauen besser ausgesprochen und begründet worden, als in dem einfach schönen Kinderliede
»Weißt Du, wie viel Sternlein stehen
An dem blauen Himmelszelt,
Weißt Du, wie viel Wolken gehen
Weithin über alle Welt etc.«
Wenn der Dichter der Urania singt:
»Nächtlich einsam wandl’ ich durch die Haide,
Wo mein Geist den weiten Raum durchschifft.
Wer enthüllt mir diese Sternenschrift
An dem feierlichen Prachtgebäude,«
so antwortet ihm der Sänger des Vaterunsers:
»Du hast die Säulen Dir aufgebaut
Und Deine Tempel gegründet.
Wohin mein gläubig Auge nur schaut,
Dich Herr und Vater es findet!«
und wie die Pflanze nicht am Tage wächst, sondern dann, wenn die Sonne hinter dem Horizonte verschwunden ist, so ist es auch »Dunkelglanzmähne,« wie die nordische Mythologie die Nacht nennt, welche vorzugsweise das Gemüth zu jenem ernsten Sinnen stimmt, aus welchem der Glaube sein Wachsthum zieht. Der Tag schlingt um den Menschen die Fesseln der Arbeit und der Sorge; die Nacht befreit ihn aus diesen Banden, gewährt ihm Ruhe und spricht zu ihm von der Aufgabe, welche höher ist als alle seine irdischen Verpflichtungen.
Das Herz mit seinen unergründlichen Tiefen und unerforschten Räthseln ist dem Firmamente verwandt. Wie die Höhen des Himmels hat es seine Sterne, seine Meteore, seine Wolken, und darum macht es seine schönsten Rechte am Liebsten dann geltend, wenn die Abenddämmerung ihren duftigen Schleier über die Erde gewoben und der letzte Strahl des sinkenden Tages die erglühenden Spitzen der Berge zum Abschiede geküßt hat.
Dann lächeln die Sterne so »freudvoll und leidvoll« von oben herab, und so »leidvoll und freundvoll« hebt sich die Brust unter den Regungen des kleinen und doch so großen Menschenherzens.
Und wie der glanzumflossene Bogen des Himmels sich so gern mit der krystallenen Fluth vermählt und sein Bild in sie herniederlegt, so schickt der Himmel, welcher im Allerheiligsten der menschlichen Brust ruht, sein Bild empor in das Krystall des Auges und breitet seine verklärenden oder verdüsternden Farben selbst über die Züge des Angesichtes.
Wer in das reine Auge eines Kindes, in das verzeihende Auge einer Mutter gesehen oder dem vertrauensvollen, hingebenden Blick der Geliebten begegnete, der hat die Seligkeit gefühlt, welche dieser Himmel zu spenden vermag. Möge Jeder sein Herz bewahren in treuer Sorge; denn auch er trägt einen Himmel in demselben, auf dessen Sternenstrahl die Seinen ein heilig Anrecht haben! –
2.
Land und Wasser
Er hat um das Wasser ein Ziel gesetzet, bis das Licht sammt der Finsterniß vergeht.
Hiob.
Jede Bewegung verursacht ein Geräusch, einen Ton, dessen Höhe und Tiefe von der Geschwindigkeit der Bewegung sowohl als auch von der Beschaffenheit und Größe des sich bewegenden Körpers abhängig ist. Die Bewegung der Himmelskörper muß also auch von Tönen begleitet sein, eine Annahme, auf welche sich die Vermuthung begründet, daß da droben im unendlichen Aether ein ununterbrochenes und gewaltiges Singen und Klingen stattfinde, welches man die »Musik der Sphären« genannt hat.
Es scheint, daß bei dieser Vermuthung sehr viel Phantasie aufgewandt worden ist; denn bei der außerordentlichen Dünnheit des Aethers fehlt es im Himmelsraume wahrscheinlich an jedem Mittel, einen Schall fortzupflanzen und also wahrnehmbar zu machen. Das schwache menschliche Ohr wäre unmöglich im Stande, jene Klänge auch nur für eine Minute auszuhalten, und der erste Schritt in die Unendlichkeit würde unfehlbar vom augenblicklichen Tode begleitet sein.
Aber gäbe es eine Möglichkeit, sich hinaufzuschwingen zwischen die Bahnen der Sterne und dort einen festen Punkt zu gewinnen, um die Millionen von Welten an sich vorübersausen zu lassen, so würde auch ohne jene tödtenden Klänge der Eindruck ein gar nicht mit der menschlichen Sprache zu bezeichnender sein. Die fast gedankenschnelle Bewegung der uns in allen Richtungen umblitzenden Sphären wäre mit dem Auge gar
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