Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
des Körpers, denn sie verschwindet nie, bleibt ewig jung und zeigt im freundlichen Angesichte der Matrone stets und treu die Züge der sinnigen Jungfrau. Sie ist die Blume, von welcher es schön heißt:
»Sieh in dem zarten Kind zwei liebliche Blumen vereinigt,
Jungfrau und Jüngling, sie deckt beide die Knospe noch zu.
Leise löst sich das Band, es entzweien sich zart die Naturen,
Und von der holden Scham trennet sich feurig die Kraft.
Gönne dem Knaben zu spielen, in wilder Begierde zu toben;
Nur die gesättigte Kraft kehret zur Anmuth zurück.
Aus der Knospe beginnt die doppelte Blume zu streben,
Köstlich ist jede, doch stillt keine dein sehnendes Herz.
Reizende Fülle schwellt der Jungfrau blühende Glieder,
Aber der Stolz bewacht streng, wie der Gürtel, den Reiz.
Scheu, wie das zitternde Reh, das ihr Horn durch die Wälder verfolget,
Flieht im Mann nur den Feind, hasset noch, weil sie nicht liebt.
Trotzig schauet und kühn aus finstern Wimpern der Jüngling,
Und gehärtet zum Kampf spannet die Sehne sich an.
Fern in der Speere Gewühl und auf die sträubende Rennbahn
Ruft ihn der lockende Ruhm, reißt ihn der brausende Muth.
Jetzt beschütze dein Werk, Natur! Aus einander auf immer
Fliehet, wenn du nicht vereinst, feindlich, was ewig sich sucht.
Aber, da bist du, du Mächtige, schon, aus dem wildesten Streite
Rufst du der Harmonie göttlichen Frieden hervor.
Tief verstummet die lärmende Jagd, des rauschenden Tages
Tosen verhallet, und leis’ sinken die Sterne herab,
Seufzend flüstert das Rohr, sanft murmelnd gleiten die Bäche,
Und mit melodischem Lied füllt Philomela den Hain.
Was erreget zu Seufzern der Jungfrau steigenden Busen?
Jüngling, was füllet den Blick schwellend mit Thränen dir an?
Ach, sie suchet umsonst, was sie sanft anschmiegend umfasse,
Und die schwellende Frucht beuget zur Erde die Last.
Ruhelos strebend, verzehrt sich in eigenen Flammen der Jüngling,
Ach, der brennenden Gluth wehet kein lindernder Hauch.
Siehe, da finden sie sich, es führet sie Amor zusammen,
Und dem geflügelten Gott folgt der geflügelte Sieg.
Göttliche Liebe, du bist’s, die der Menschheit Blumen vereinigt!
Ewig getrennt, sind sie doch ewig verbunden durch dich.«
Der Verstand zersplittert seine Thätigkeit, indem er dieselbe auf jede einzelne Lebenserscheinung richtet; das Gefühl aber ist immer ein Ganzes, darum:
Tugenden brauchet der Mann, er stürzet sich wagend in’s Leben,
Tritt mit dem stärkeren Glück in den bedenklichen Kampf.
Eine Tugend genüget dem Weibe; sie ist da, sie erscheinet
Lieblich dem Herzen, dem Aug’ lieblich erscheine sie stets!
und während aus eben demselben Grunde das Urtheil des Mannes ein sich veränderndes, sich immer verbesserndes ist, zeigt dasjenige des Weibes eine Starrheit und Unveränderlichkeit, welche oft geradezu verletzend und tief ärgerlich ist:
»Männer richten nach Gründen; des Weibes Urtheil ist seine
Liebe; wo es nicht liebt, hat schon gerichtet das Weib.«
Die Herrschaft des Verstandes läßt den Mann
»Im Glücke nicht jubeln und im Sturme nicht zagen,
Das Unvermeidliche mit Würde tragen,«
während das Weib sich den Eindrücken des äußern Lebens leichter hingiebt und sie mächtiger auf sich einwirken läßt:
»Sahest Du nie die Schönheit im Augenblicke des Leidens,
Niemals hast Du die Schönheit geseh’n.
Sahest du die Freude nie in einem schönen Gesichte,
Niemals hast du die Freude geseh’n,«
und grad’ diese Hingabe, diese wechselvolle Veränderlichkeit in ihrem innern und äußern Wesen ist es, welche das Weib dem sich stets gleich bleibenden Manne als Contrast entgegenstellt und – da Gegensätze sich anziehen – beide einander als begehrlich er scheinen lassen. Es ist dadurch die Liebe des Mannes in eine stete und ununterbrochene Thätigkeit gesetzt, sodaß er endlich mehr liebt als denkt und selbst noch für die Sünderin eine glühende Hingebung fühlen und empfinden kann, wie Thomas Moore so schön singt
»Komm’, flücht’ mir an’s Herz, mein geängstigtes Reh!
Es floh dich die Heerde – mir weine dein Weh!
Hier wohnt noch das Lächeln, vom Sturm nicht bedroht,
Und Hand noch und Herze, die dein bis zum Tod!
O, was wär’ die Lieb’, wenn’s dieselbe nicht wär’
In Marter und Wonne, in Schmach und in Ehr’?
Ich weiß nicht, noch frag’ ich, ob Fehl in dir ist –
Ich weiß nur, dich lieb’ ich, wie immer du
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