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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Begeisterung der Jungfrau von Orleans:
     
    »Denn wenn im Kampf die Muthigsten verzagen,
    Wenn Frankreichs letztes Schicksal nun sich naht,
    Dann wirst du meine Oriflamme tragen
    Und, wie die rasche Schnitterin die Saat,
    Den stolzen Ueberwinder niederschlagen;
    Umwälzen wirst du seines Glückes Rad,
    Errettung bringen Frankreichs Heldensöhnen
    Und Rheims befrei’n und deinen König krönen!«
     
    in welcher sie sich stärker fühlt und kräftiger als der stärkste und kräftigste der Helden ihres Vaterlandes und sie dem kühnsten der Recken als Mann sich zur Seite stellt, bricht doch das Weib hervor und klagt:
     
    »Nie wird der Brautkranz deine Locken zieren,
    Es blüht kein lieblich Kind an deiner Brust.«
     
    Ganz ohne ihren Willen entströmen diese Worte ihren Lippen; die reine, zarte Weiblichkeit in ihrem Innern sträubt sich gegen die Bestimmung, welche dem Mädchen von Domremi geworden ist und taucht süß und rein aus den wallenden Fluthen der Ekstase empor. Die Vorzüge des sinnigen Weibes vor dem geschäftigen, lauten Manne bringen zur schönen und klaren Anschauung die Strophen:
     

Ewig aus der Wahrheit Schranken
    Schweift des Mannes wilde Kraft;
    Unstät treiben die Gedanken
    Auf dem Meer der Leidenschaft;
    Gierig greift er in die Ferne,
    Nimmer wird sein Herz gestillt;
    Rastlos durch entlegne Sterne
    Jagd er seines Traumes Bild.
     
    Aber mit zauberisch lächelndem Blicke
    Winken die Frauen den Jüngling zurücke,
    Warnend zurück in der Gegenwart Spur.
    In der Mutter bescheidenen Hütte
    Sind sie geblieben mit schamhafter Sitte,
    Treue Töchter der Natur.
     
    Feindlich ist des Mannes Streben,
    Mit zermalmender Gewalt
    Geht der wilde durch das Leben,
    Ohne Rast und Aufenthalt.
    Was er schuf zerstört er wieder,
    Nimmer ruht der Wünsche Streit,
    Nimmer, wie das Haupt der Hyder
    Ewig fällt und sich erneut.
     
    Aber, zufrieden mit stillerem Ruhme,
    Brechen die Frauen des Augenblicks Blume,
    Nähren sie sorgsam mit liebendem Fleiß,
    Freier in ihrem gebundenen Wirken,
    Reicher, als er, in des Wissens Bezirken
    Und in der Dichtung unendlichem Kreis.
     
    Streng und stolz sich selbst genügend,
    Kennt des Mannes kalte Brust,
    Herzlich an ein Herz sich schmiegend,
    Nicht der Liebe Götterlust,
    Kennet nicht den Tausch der Seelen,
    Nicht in Thränen schmilzt er hin;
    Selbst des Lebens Kämpfe stählen
    Härter seinen harten Sinn.
     
    Aber, wie leise vom Zephyr erschüttert,
    Schnell die äolische Harfe erzittert,
    Also die fühlende Seele der Frau.
    Zärtlich, geängstigt vom Bilde der Qualen,
    Wallet der liebende Busen, es strahlen
    Perlend die Augen von himmlischem Thau.
     
    In der Männer Herrschgebiete
    Gilt der Stärke trotzig Recht;
    Mit dem Schwert beweist der Scythe,
    Und der Perser wird zum Knecht.
    Es befehden sich im Grimme
    Die Begierden wild und roh.
    Und der Eris rauhe Stimme
    Waltet, wo die Charis floh.
     
    Aber mit sanft überredender Bitte
    Führen die Frauen den Scepter der Sitte,
    Löschen die Zwietracht, die tobend entglüht,
    Lehren die Kräfte, die feindlich sich hassen,
    Sich in der lieblichen Form zu umfassen,
    Und vereinen, was ewig sich flieht.
     
    Das Weib fesselt den kühnen, immer nach oben strebenden Geist des Mannes an die Erde und erinnert ihn an seine gegenwärtigen Aufgaben, hebt ihm mitten in seinem gewaltigen und rastlosen Wirken und Schaffen den erquickenden Kelch des stillen, häuslichen Glückes an die dürstenden Lippen, mildert das Gefühl des Ernstes und der Strenge, welches all’ sein Thun beherrscht und ihn leicht verführen kann, über das Glück und die Wünsche Anderer hinwegzuschreiten und lenkt mit demüthiger Freundlichkeit und sanfter Bitte den Trotz des männlichen Zornes in die Bahnen milder Beruhigung. Und woher diese Macht des sonst so schwachen Geschlechtes? Die Antwort liegt in den Worten:
     
    »Mächtig seid ihr, ihr seid’s durch der Gegenwart ruhigen Zauber;
    Was die stille nicht, wirkt die rauschende nie.
    Kraft erwart’ vom Manne, des Gesetzes Würde behaupt’ er:
    Aber durch Anmuth allem herrschet und herrsche das Weib.
    Manche zwar haben geherrscht durch des Geistes Macht und der Thaten,
    Aber dann haben sie dich, höchste der Kronen, entbehrt.
    Wahre Königin ist nur des Weibes weibliche Schönheit:
    Wo sie sich zeige, sie herrscht, herrschet blos, weil sie sich zeigt.«
     
    Die Anmuth ist’s allein, welche der Jungfrau den Jüngling gewinnt und dem Weibe die Liebe des Mannes erhält, die mehr werth ist, als die Schönheit

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