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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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bist!
     
    Du nanntest mich Engel in besserer Zeit,
    Dein Engel nun bleib’ ich in Jammer und Leid;
    Auf glühende Eisen hin folg’ ich dir kühn,
    Zu retten dich – oder mit dir zu verglüh’n!«
     
    Und noch tief unten im Schlamme des moralischen und geistigen Verderbens flammt dann die Liebe als das letzte gerettete Gut hoch empor und beleuchtet mit ersterbender Gluth den Untergang zweier Wesen, welche mit einander sanken, nur weil das Herz die höchsten der Rechte allein für sich in Anspruch nahm:
     
    »Auf deiner Stirn das Brandmal,
    Der Flecken roth und glüh –
    Wer löschte aus das Schandmal?
    ‘S ist zu vergessen nie!
     
    Doch wenn’s noch heißer flammte,
    Ich muß es bergen doch,
    Denn wenn ich dich verdammte,
    Wer soll Dich lieben noch?!
     
    Dein Herz ist trüb’ umnachtet,
    Trinkt keinen Sonnenschein,
    Von Gott und Welt verachtet,
    Nur ich verblieb noch sein.
     
    Hat selbst die Tigerkatze
    Doch Eins, das sterbend ihr
    Noch leckt die blut’ge Tatze –
    Das Eine bin ich dir!«
     
    Dieses Zusammenhalten ist eine Folge des engeren, innigen Zusammenlebens, wie es die Ehe mit sich bringt. Wenn sich zwei Personen so recht herzlich lieb haben, so fließen all’ ihre gegenseitigen Gedan ken, Gefühle, Worte und Handlungen in einander, werden beiderseitiges Eigenthum und nähern die erst verschiedenen Character einander von Tag zu Tage immer mehr.
    Auch die materielle Seite des Ehelebens ist hierbei wohl in Betracht zu ziehen. Mann und Frau leben unter vollständig gleichen Verhältnissen, haben gleiche Wohnung, gleiches Licht, gleiche Luft, gleiche Wärme und Temperatur, gleiche Nahrung, machen die gleichen Erfahrungen, theilen sich in gleiches Leid und gleiche Freude und müssen deshalb bei der Accommodabilität der menschlichen Natur einander immer ähnlicher werden.
    Und wirklich zeigt sich diese Aehnlichkeit nicht nur innerlich, sondern auch in dem äußeren Wesen der Gatten. Bei in Beziehungen auf die Religion gemischten Ehen stehen sich die Ansichten zwar nicht feindlich, aber doch eigenartig gegenüber, verlieren aber nach und nach immer mehr von ihrer Schärfe, runden sich ab, fügen sich an einander, durchdringen sich gegenseitig und bilden schließlich eine von beiden Personen getheilte Anschauung.
    Verschiedene Character ziehen einander an. Der Sanguinisch-Melancholische fühlt sich von der Cholerisch-Phlegmatischen angezogen und umgekehrt. Diese Temperamente sind einander zwar unähnlich, aber sie ergänzen sich, berühren sich also in den verschiedensten Lagen und Verhältnissen, und diese Berührung wird schließlich zur gegenseitigen Mittheilung. So kommt es, daß der ursprünglich stille, contemblative und wortkarge Mann durch den Umgang mit seinem muntern Weibchen mit der Zeit gesprächiger wird, und dieses Weibchen, dessen allerliebstes Plapperment in der ersten Zeit der Ehe gar nicht gut zur Ruhe kommen konnte, sich doch nach und nach eine gewisse Ruhe aneignet und sogar recht ernst und bedenklich werden kann.
    Sehr häufig kommt es vor, daß die äußeren Reize und Vorzüge eines Mädchens, wie Schönheit, Vermögen, einem hochgebildeten Manne Liebe einflößen, sodaß er eine Verbindung mit ihr eingeht, ohne daß sie eine   ähnliche Ausbildung des Geistes und Herzens besitzt. Die Alles ausgleichende Zeit ebnet gar bald diesen Unterschied; denn das innige Zusammenleben Beider bewirkt eine Mittheilung der Vorzüge des Einen auf den Andern, und die außerordentliche Auffassungsgabe und Bildungsfähigkeit des Weibes thut das Ihrige dazu.
    Ebenso ist es auch mit den äußerlichen Unterschieden. Es ist eine sehr unvollständige Meinung, welche annimmt, daß dieselben blos in den Kindern zu einer Vereinigung kommen. Man photographire ein junges, soeben getrautes Brautpaar, welches nicht die mindeste gegenseitige Aehnlichkeit besitzt und vergleiche diese Photographie mit ihren Zügen in späteren Jahren. Jede der beiden Physiognomien wird zwar ihr Chrakteristisches bis zu einem gewissen Grade behalten und bewahrt haben, aber dieses Characteristische hat sich abgeschärft und durch die ununterbrochene körperliche und geistige, ganz besonders aber durch die innige geschlechtliche Berührung Züge angenommen, welche erst nicht vorhanden waren und nun das Eigenthum beider Gatten sind. Der Kenner weiß sogar in Folge fortgesetzter Uebung die Aehnlichkeit zwischen Eheleuten von der gewöhnlichen Familienähnlichkeit, wie sie Eltern und Geschwister zeigen, sehr wohl zu unterscheiden,

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