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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sondern es enthält dieses Wort in Wirklichkeit die höchste der Wahrheiten, welche von der Philosophie wohl angezweifelt und untersucht werden kann, endlich aber doch von ihr zugegeben und bestätigt werden muß.
    Es ist vollständig unmöglich, Gott und die Liebe zu trennen, und zwar ist die Letztere nicht etwa ein bloßes Attribut, eine Eigenschaft des Ersteren, sondern sie ist Gott selbst, und wenn wir uns die Aufgabe gestellt haben, die Liebe nach ihrer geschichtlichen Entwickelung darzustellen, so haben wir es in erster Linie mit einer Betrachtung des Gottesbegriffes zu thun.
    Das Verhältniß des Menschen zu Gott ist bisher immer nur eine Sache der Religion gewesen, ein Umstand, welcher vielen und großen Irrthum zur Folge gehabt hat, denn die Gotteserkenntniß kann nur eine Thatsache des suchenden Verstandes, also der Wissenschaft sein, während die Religion sich nur auf das menschliche Gefühl stützt. Keine Religion zeigt eine wirkliche Neigung zur Wissenschaft, ja man muß sogar sagen, daß sie oft der Cultur geradezu widerstrebe. Die Vorstellungen, mit denen es die Religion zu thun hat, sind stets mehr oder weniger bildlich, phantastisch unklar und verworren, und da die Wissenschaft sich bemüht, an Stelle des Bildes das Wesen selbst zu setzen und das Dunkle, Unklare und Verworrene aufzuhellen, zu beleuchten und einer weisen Ordnung einzureihen, so sieht sie sich überall, wo das religiöse Gefühl in voller, ungedämpfter Inbrunst glüht, feindselig betrachtet und behandelt.
    Bei allen Religionsstiftungen ist es sehr phantastisch und unwissenschaftlich zugegangen, und eine wahrheitstreue Kritik kann nicht anders, als das Schwankende und Haltlose der von der Religion geglaubten historischen Grundlagen nachzuweisen, und so wehrt sich das ächte, unverfälschte religiöse Gefühl, welches die Religion als die alleinige Hauptsache des Lebens betrachtet, neben der alles Uebrige als gleichgültig erscheint, gegen das Eindringen der Wissenschaft in seine Vorstellungskreise, durch welches es sich gefährdet und geschädigt sieht. Es will nichts wissen von einer historischen Kritik seiner geschichtlichen Voraussetzungen; es will nichts wissen von einer philosophischen Kritik seines übersinnlichen Vorstellungskreises; es mag die Gluth seiner vertrauensvollen Innigkeit nicht von dem kalten Hauche der nüchternen Betrachtung anblasen lassen und erträgt ohne Beschwerde die härtesten, inneren Widersprüche.
    Wenn trotz dieser tiefen Abneigung der Religion gegen die Wissenschaft   sich die Erstere doch überall mit der Letzteren vermählt und sogar ein Kind, die Theologie, erzeugt hat, so ist das von Seiten der Religion eine bloße Zwangsehe, eine Umarmung, deren sie sich nicht erwehren kann, und aus deren Unvermeidlichkeit sie wenigstens für sich den größtmöglichen Nutzen zu ziehen gesucht hat, indem sie die Wissenschaft nach Außen hin gegen Feinde und Widersacher ihren Sachwalter und Vertheidiger sein ließ.
    Aber sobald die Wissenschaft als Theologie Eingang in die Religion gefunden hat, beginnt sie ihre eigenen Ziele mit ihren eigenen Mitteln zu verfolgen, ohne Rücksicht darauf, daß sie dadurch die Zwecke der Religion in keiner Weise fördert, sondern dieselben nur in schwere Gefahr bringt. So kommt es, daß die neuere Zeit, welche ja ausgesprochener Maaßen die Wissenschaft, die ernste Forschung begünstigt, sich den religiösen Ueberlieferungen gegenüber immer kaltblütiger verhält und es sogar wagt, mit nüchternen Sinnen und unbestechlicher Logik nach Erkenntniß des göttlichen Wesens zu ringen.
    Auch wir halten es für gerathen, diesen Weg einzuschlagen, verwahren uns aber ganz entschieden gegen den Vorwurf der Irreligiosität. Es ist uns ein heiliges Bedürfniß, Klarheit zu erhalten über die höchsten Beziehungen des Daseins, und so dürfen wir wohl das Recht beanspruchen, jeden Weg einzuschlagen, der uns zu dieser Klarheit zu führen verspricht.
    Es ist eine geschichtlich festgestellte Thatsache, daß die Vorstellung, welche ein Volk von Gott hat, seiner geistigen Entwickelungsstufe vollständig entspricht. »Wie der Mensch, so sein Gott.« Der Wilde hat einen andern Gott als der Halbwilde, dieser einen andern als der Gebildete, und der tiefe Denker hat wieder seine besonderen Anschauungen über das Wesen Gottes. Schon Xenophanes sagt 540 Jahre vor Christo: »Den Sterblichen erscheint es, daß die Götter ihre Gestalt, Kleidung und Sprache hätten. Die Neger dienen schwarzen Göttern mit

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