Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
Menschenblut; ein einziger Tropfen von ihm kann mit allem Gelde der Erde nicht bezahlt werden.
Und doch wie viel ist von diesem köstlichen Naß schon vergossen worden, obgleich die Drohung gar ernst erklingt: »Wer Menschenblut vergießt, dess’ Blut soll wieder durch Menschen vergossen werden!« Und nicht die Verschwendung ist es allein, was zu beklagen ist, sondern der wirthschaftliche Ruin vieler Millionen von Menschen, von ganzen edlen Völkerschaften, und das Herzeleid Derer, welche den Verlust ihrer Lieben zu bedauern haben, fällt ebenso schwer in die Waagschale, und bei dem Gedanken an all’ dieses Elend, welches sich noch im Gefolge sogar der gegenwärtigen Politik befinden muß, denkt man unwillkürlich zurück an den vorsündfluthlichen Jammer: »Die Menschen wollen sich von meinem Geiste nicht erziehen lassen, denn sie sind Fleisch!«
Mag die Art des Krieges sein, welche sie wolle, Bürger- oder Religionskrieg, Vertheidigungs- oder Angriffskrieg, Landkrieg oder Seekrieg, immer wird der Krieg characterisirt durch die Auflösung der Staatsverhältnisse der sich bekämpfenden Mächte. Glücklicher Weise hat die immer fortschreitende Civilisation und Humanität auch hier das Ihrige gethan und das Bedauerliche nach Möglichkeit gemildert. Rechtlosigkeit ist den Begriffen einer menschlichen Association so zuwider, so widersprechend, daß fast alle Völker über gewisse Rechtsgrundsätze übereingekommen sind, welche sie auch im Kriegszustande zu befolgen haben, und besonders sind in neuerer Zeit die segensreichsten Vereinbarungen über diesen Gegenstand getroffen worden, aber trotz seiner milderen Führung ist der Krieg für unsere Zeit dennoch verwerflicher als für die vergangenen Jahrhunderte.
Es will scheinen, als gälte das Wort: »Es muß ja Aergerniß sein, aber wehe dem, durch welchen Aergerniß kommt« auch für die, welche ihren politischen Traditionen oder dem Gelüste ihres Ehrgeizes das Leben von Tausenden ihrer Unterthan zum Opfer bringen, aber der Menschenfreund mag doch die Frage, ob der Krieg denn wirklich eine so unumgängliche Nothwendigkeit sei, nicht mit einem unbedingten Ja beantworten. Er gedenkt der himmlischen Gesetze, nach welchen sich auch alles Irdische bewegt und regelt, und darf deshalb den Glauben hegen, daß die Zukunft doch vielleicht die Wünsche der Gegenwart erfüllen werde. Die Liebe glaubt Alles, sie hofft Alles, sie duldet Alles, aber sie kann auch Alles, und nur allein ihr ist es möglich, ein Zeitalter zu schaffen, auf dessen Panier die Devise klingt:
Liebe und Friede!
Dritte Abtheilung
Die Liebe nach ihrer Geschichte
Allgemeines
Eine der schwierigsten Aufgaben, welche die Wissenschaft sich zu stellen vermag, ist die Darstellung der chronologischen Entwickelung aller derjenigen Verhältnisse, welche unmittelbar unter der Herrschaft der Liebe stehen, sowie eine gründliche Erläuterung derjenigen Einflüsse, durch welche die Liebe maßgebend und bestimmend auf die Entwickelung des Menschengeschlechtes eingewirkt hat.
Diese Entwickelung ist eine so unendlich vielseitige, daß ihre gründliche Betrachtung den reichsten Stoff für unser »Buch der Liebe« zu bieten vermag und die uns gestellten Anforderungen leicht zu befriedigen erscheinen, wenn nicht grade die Menge dieses Stoffes, verbunden mit ihrer äußeren Zusammenhangslosigkeit, eine lange Reihe fast unüberwindlicher Schwierigkeiten böte, die nur von Demjenigen zu überwinden und zu bewältigen sind, welcher mit dem heiligen Ernste des Forschens und der vor keinem Hindernisse zurückschreckenden Theilnahme des Menschenfreundes das Wirken der größesten Macht beobachtet, welche vom Himmel zur Erde gestiegen ist, um die Bewohner derselben über die Spitzen jener Berge zu leiten, welche im Morgenrothe eines anderen Lebens, einer höheren Zukunft, eines besseren und seligeren Daseins erglühen.
Ja, unter allen Mächten und Gewalten, welche unser sublunarisches Leben regeln und bewegen, ist die Liebe die größeste, die mächtigste, die herrlichste, und noch mehr – sie ist die einzige, welche ohne Anfang und ohne Ende, welche von ewiger Dauer ist.
Yupanqui, der berühmte südamerikanische Inka, vor dem Millionen sich beugten, der im Besitze der unermeßlichen Schätze der Cordilleras de los Andes war, der sein Haupt mit bis dahin ungepflückten kriegerischen Lorbeeren schmückte, indem er die Schaaren seiner Bewaffneten über die Bergriesen der Anden führte, trat einst in die arme
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