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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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und kleine Hütte eines Priesters, um sich an einem Trunke kühlenden Wassers zu erlaben.
    »Trinke, Du Blutiger!« sprach der ehrwürdige Mann. »Die Liebe, der Du dienest, will Dich erquicken.«
    »Die Liebe? Der ich diene? Ist das scharfe, blitzende Schwert hier an meiner Seite, welches das Leben so Vieler gefressen hat, ein Werkzeug der Liebe, von der Du sprichst?«
    »Zweifelst Du daran? Wisse, o Herrscher, daß ihr Athem von Anbeginn zu Anbeginn durch die Welten rauscht, daß ihr Flügelschlag tausend Ewigkeiten trägt, daß ihre Stimme bis in die tiefste Finsterniß erklingt und ihre Hand auch da von Blumen duftet, wo wir die Gespenster des Hasses, der Zwietracht und der Rache zu erblicken glauben. Die Liebe ist der Engel, welcher zur Erde gesandt ist, den Verirrten in die Arme des Vaters aller Himmel zurück zu leiten.«
    »Deine Worte sind gut und bewegen mein Herz; doch sag, wer ist dieser Verirrte?«
    »Als im Rathe der Ewigen beschlossen war, das Firmament zu ziehen und Millionen glücklicher Wesen im Strahle seiner Güte wandeln zu lassen, da blitzte die Allmacht des Weltenfürsten durch die Unendlichkeit und einer ihrer Strahlen zuckte hernieder auf die Erde, um ein Ebenbild Gottes zu bereiten.« Die Boten des Herrschers kehrten zurück; sein Auge zählte ihre Schaar, und siehe, es fehlte der Strahl, welcher auf Erden die Gestalt des Menschen angenommen hatte und vom Staube zurückgehalten wurde. Da ergrimmte der König der Geister und streckte drohend seine Hand hernieder:
    »Hast Du Dich vermählt mit dem endlichen Gedanken, der um die Sonne schwirrt, siehe so sollst Du Erde bleiben in Ewigkeit, sollst Jammer und Klage hören all’ Dein Lebelang und nimmer den Pfad finden zurück zu den glänzenden Stufen meines Thrones!«
    Da trat die Liebe zu ihm, beugte demuthsvoll ihr Haupt vor dem Allgewaltigen und sprach mit leiser Stimme:
    »O nimm den Fluch zurück, o Herr! Du kennst mein Herz und weißt, daß es nicht Ruhe finden kann, wenn Deine Seele zürnt. Gieb Gnade dem Verirrten!«
    Da schritt mit ernster Miene die Gerechtigkeit herbei und rief erhobenen Hauptes:
    »Nein, Herr, dem Schuldigen sei Strafe! Dein Zorn fahre hinab, den Frevler zu zerschmettern!«
    »Herr,« bat die Liebe, »wirf Deinen Zorn auf mich und laß mich sterben. Ich kann nicht athmen, wenn das Unglück seufzt.«
    Da neigte sich der Herrscher zu den Beiden, und seine Stimme klang:
    »Er hat gefehlt, und Strafe soll ihn treffen! Die Erde sei sein Theil, und Erde soll er sein; doch steige nieder, Du Verzeihende, zu ihm und zeige ihm den Weg zurück zu mir. Wenn er vom Staub sich ringt und reuig wiederkehrt, so soll ihm verziehen sein!«
    So sprach sein Mund, und was er spricht, geschieht; sein Wort ist That; statt zu ertönen, gewinnt’s Gestalt und Leben, und dieses Leben ist ein Kampf des Lichtes mit der Finsterniß, des Fluches mit dem Segen, des Zornes mit der Gnade, der Verdammniß mit der Seligkeit, des Hasses mit der Liebe. Jedoch die Liebe siegt, und was ihr widerstrebt, muß durch den Widerstand nur ihre Macht bestätigen, nur ihren Glanz erhöhen, nur ihr zu Diensten sein.
    »›Mensch‹ hieß seit jener Zeit der Irrthum, der im Fleische den Weg empor zum Himmel wandelt, um die Wahrheit wiederzufinden, die ihm verloren ging.« – –
    Das war die Philosophie eines Heiden, dessen Volk von der Erde verschwindet, seit die »Religion der Liebe« in jenen Gegenden verkündigt wurde und das Kreuz des Christenthumes von den südamerikanischen Bergen leuchtete.
    Er stellt in seiner bildlichen Ausdrucksweise die Liebe außer Gott als ein Wesen, einen Gegenstand, mit dem der Herr spricht und verhandelt, dar. Wir dürfen uns dieser Annahme nicht anschließen, sondern müssen versuchen, uns eine wahrheitstreuere Anschauung anzuzeigen, indem wir zu erforschen streben, ob die Liebe ein bloßes Gefühl sei und als solches nur in einem Herzen wohnen könne, welches von der Vorsehung mit der Gabe der Empfindung bedacht wurde, ob sie thätig ist nur im Reiche der organischen Wesen, denen – gegenüber der unbelebten Kreatur – eine Seele eigen ist, welche durch die Nerven sich mit der Außenwelt in Verbindung zu setzen vermag.
    Wenn schon im ersten Theile dieses Buches auf das Bibelwort: »Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibet, der bleibet in Gott und Gott in ihm,« hingewiesen wurde, so geschah dies nicht etwa in der Absicht, eine biblische Meinung zu citiren, um uns ihr vielleicht kampfgerüstet   gegenüber zu stellen,

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