Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
leidenschaftliche Liebe, wenn in dem kräftigen Liebestriebe das egoistische Princip selbst seine volle Befriedigung erstrebt, in der begehrenden, genußsüchtigen Liebe. Liebe kann sich ebenso auf belebte Gegenstände als auch auf leblose Dinge und besondere Lebensbeschäftigungen richten, wo indessen das Wort doch nur dann volle Anwendung findet, wenn der Gegenstand edler Art ist, wie z.B. bei der Liebe zur Natur oder der Liebe zu den Wissenschaften und Künsten, wogegen eine Hinneigung zu Dingen, die nicht das Gemüth zu befriedigen geeignet sind und deren Interesse ein nur vorübergehendes ist, richtiger als Liebhaberei bezeichnet wird.
Aber auch unedle Neigungen, denen man gleichfalls den Namen Liebe beilegt, können den Menschen beherrschen, aber dann nur als eine Außenseite des Egoismus, in welcher dieser sich selbst zur Schau legt, wie in der Liebe zum Spiele, zum Trunke, oder indem er in der Selbstliebe sich selbst concentrirt, wofern diese nicht durch entgegengesetzte Richtungen zu einer gemäßigten, von der Vernunft gebilligt und gefördert wird.
Der nächste Gegenstand der wahren Liebe (da nur Geistesverwandtschaft den Zug der Liebe bestimmt) ist jedoch nur immer der Mensch selbst, aber nicht gerade der Mensch, der die meiste Uebereinstimmung mit dem hat, in welchem ein Liebesbedürfniß rege wird, sondern gegenseitig der Mensch, welcher Vorzüge besitzt, die dem durch die Liebe zu ihm hingezogenen abgehen und auf die er auch keine Ansprüche macht.
Dies ist im höchsten Grade nur in der Geschlechtsliebe der Fall, daher auch diese die stärkste im Menschenleben ist. Der zum Höhepunkte seines Lebens gelangende Mann hat sich vorwaltend in Kraft, das zum Weibe heranreifende Mädchen vorwaltend in Schönheit entwickelt. Es ist Naturordnung, daß sich Kraft und Schönheit gegenseitig anziehen. Dieser gegenseitige Zug wird zur Geschlechtsliebe, die in der Befriedigung des Geschlechtstriebes zum Höchsten wird, was der Mensch momentan zur Genügeleistung aller Lebensforderungen erreichen kann, eben weil hier eine völlige Ausgleichung der egoistischen und der in Liebe begründeten Lebensbestrebungen eintritt.
Die Natur hat dafür gesorgt, daß bei eintretendem Bedürfnisse der Geschlechtsliebe zweier Wesen verschiedenen Geschlechtes (beim Verlieben) die Phantasie dem geliebten Wesen Vollkommenheiten leiht, die ihr abgehen, und die Vorzüge, die er besitzt, im blendendsten Lichte erblicken läßt, während sie eine Binde über Mängel und Gebrechen hält, deren Wahrnehmung die Illusion des Verliebten stören würde. In diesem Sinne wird die Liebe blind genannt.
Dadurch aber, daß in der Geschlechtsliebe der Egoismus selbst nur eine Erweiterung seines Kreises erhalten hat, wird diese so störend im Leben. Ihr egoistischer Antheil legt sich besonders dadurch dar, daß sie nicht nur als Leidenschaft auftritt, sondern auch fähig ist, sich zur mächtigsten aller Leidenschaften zu steigern, wenn ihr Widerstand entgegensteht oder sie sich in ihren Hoffnungen betrogen findet, die, als Eifersucht, selbst in Haß umschlägt und zu wildem Rachetriebe wird, oder auch in anhaltender Sehnsucht an dem Marke des Lebens zehrt und zu dem Untergange des letzteren führt.«
Haben wir auch schon früher einen Theil dieser Anschauungen anerkannt und zu unseren eigenen Ansichten gemacht, so müssen wir doch uns zu anderen Punkten in Reserve halten. Die gewöhnliche, landläufige Auffassungsweise mag von einer Liebe Gottes, der Eltern, der Kinder, der Gatten, der Freunde u.s.w. sprechen, und es giebt auch wirklich Gründe, sich dieser Ausdrucksweise anzubequemen; aber eigentlich und im Grunde genommen ist die Liebe etwas Ganzes und Untheilbares; sie ist nicht nur eine Kraft, welche allerdings nach der Verschiedenheit ihrer Aeußerungsrichtungen auch mit verschiedenen Bezeichnungen belegt werden kann, sondern sie ist die einzige geistige Macht, welche es überhaupt giebt, und diese Macht ist – Gott.
Daher können wir im strengen Sinne gar nicht von einer Liebe Gottes sprechen, und die Auffassung der Liebe als göttliche Eigenschaft ist eine durchaus falsche. Ebenso wenig darf man die Liebe im Allgemeinen als einen in der Menschennatur begründeten eigenen Trieb auffassen, welcher den Geist von sich selbst ab auf Aeußeres und sich selbst Verwandtes lenkt, und alle aus dieser Auffassung hervorgehenden Folgerungen werden dadurch also aufgehoben. Gott ist die Liebe – Gott ist Geist – Geist ist Liebe. Das Meer läßt
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