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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sich nicht in Abtheilungen, in Tropfen zergliedern; der Tropfen ist nur die augenblickliche Gestaltungsweise eines winzigen Meerestheiles und giebt diese Gestalt auf im Augenblicke des Zurücksinkens in den Ocean. Die Religion hat es mit dem Verhältnisse des Menschen zu Gott zu thun, aber sie darf den Ocean nicht in Tropfen scheiden, und wenn sie sich der gewöhnlichen Ausdrucksweise bedient, so wird sie von rein äußeren Gründen dazu veranlaßt.
    Man kann von dem Verhältnisse der Liebe zum Glauben, zur Religion nicht sprechen, ohne derjenigen Beziehung zu gedenken, welche die Geschlechtsliebe zu gewissen religiösen Gebräuchen eingenommen hat.
    Bei den geordneten Gottesdiensten, welche die Priester dem leichtgläubigen Volke veranstalteten, wurde dasselbe veranlaßt, sein Bestes den erzürnten Gottheiten zu opfern, um ihren Zorn abzuwenden von dem Menschengeschlechte. Und so brachte denn ein Jeder das Beste, was er   hatte, die Erträgnisse seines Ackers, die Beute der Jagd und des Fischfanges, die besten Stücke seines Viehstandes, nur um die Götter milde zu stimmen, um Segen und Gedeihen für seine Unternehmungen damit zu erkaufen.
    Leicht war es den Priestern, welche eine unumschränkte Herrschaft über die Völker ausübten, die Frauen und namentlich die Jungfrauen zu bestimmen, sich den Göttern selbst preiszugeben, und denselben ihr Höchstes, ihre Keuschheit zu opfern. Selbstverständlich vertraten die Priester die Stelle der Götter und nahmen die Gaben der Staubgeborenen im Namen jener entgegen.
    So entstand die religiöse oder geheiligte Prostitution.
    Von Zeit zu Zeit veranstalteten dieselben großartige Feste zu Ehren des Licht- und Sonnengottes Balus, als dessen Gemahlin die Liebesgöttin Mylitta, d.i. Mondgöttin, betrachtet wurde. Im Tempel des Sonnengottes war ein Bett aufgestellt, welches mit aller nur erdenklichen Pracht ausgeschmückt, angeblich dem Balus als Ruhelager diente.
    Bei den veranstalteten Festen wurde dem Volke mitgetheilt, daß der Sonnengott herabsteigen werde vom Olymp, um die irdischen Freuden zu genießen. Es wurde alsdann eine der schönsten babylonischen Frauen geschmückt und köstlich gesalbet auf jenes Ruhebett gelegt, in welchem sie die Umarmungen des Gottes erwartete. Natürlich spielten die Priester stets mit Glück die Rolle des Gottes und die Frauen schwiegen nicht nur in ihrem eigenen Interesse, sondern suchten den Vorgang gewöhnlich selbst zu einem heiligen Wunderwerke zu erheben.
    Der Ursprung dieser Gebräuche im Tempel der Mylitta ist in den Religionsbegriffen der heidnischen Völker zu suchen, welche der Göttin der Liebe die Eigenschaft-beilegten, daß diese das schöne Geschlecht zur Unzucht reize, nach einmal dargebrachtem Opfer aber die Keuschheit desselben beschütze. Einige Schriftsteller damaliger Zeit wollen sogar behaupten, daß der moralische Lebenswandel der Mädchen durch das dargebrachte Opfer für alle Zeiten gesichert gewesen sei. Diese Annahme ist jedoch eine unwahrscheinliche. Es war vielmehr unvermeidlich, und die Folge hat es auch bewiesen, daß gerade das Gegentheil daraus erwachsen mußte; denn niemals hat es wieder ein Volk gegeben, welches so tief in den Schlamm des Lasters und der zügellosen Wollust versunken war, wie die Babylonier.
    Von den Babyloniern pflanzte sich der Cultus der Mylitta über   Asien und Afrika fort, bis tief hinein nach Persien, in jedem Lande jedoch andere Formen annehmend und sich den Sitten und Gewohnheiten der einzelnen Völkerschaften anschmiegend.
    Ueberall behielt dieser Cultus im Anfange den Charakter der geheiligten Prostitution, bis durch die unausbleibliche Demoralisation der Völker die Entartung der Geschlechtsliebe daraus entstand und das, was zuerst durch Sitte und Religion geheiligt war, zu einem Gewerbe umschuf, dem sich sowohl Männer als Weiber ergaben.
    So hatten sich die Armenier einen prachtvollen Tempel nach dem Muster des Heiligthums der Mylitta erbaut, um welchen herum sich eine Bevölkerung niederließ, welche sich einzig dem Venusdienste widmete.
    Die Einwohnerschaft dieses geheiligten Ortes bestand größtentheils aus den vornehmsten Familien des Landes, deren Töchter sich auf Wunsch längere oder kürzere Zeit dem Dienste der Liebesgöttin weihen durften.
    Natürlich machten hierbei wieder die Priester das beste Geschäft, denn die Gaben in diesem Venustempel flossen reichlich, da nur fremde Männer Einlaß in denselben erhielten, welche die Freuden der Liebe, die ihnen in

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