Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
überreichem Maße geboten wurden, sehr gut bezahlten. Da nun aber nur ärmere Mädchen die Geschenke für sich behielten, welche sie durch das Preisgeben ihrer Körper erworben hatten, diejenigen von guter Herkunft aber die erworbenen Reichthümer auf den Altar der Göttin niederlegten, so flossen ihren Dienern die Gaben in reichlichem Maaße zu.
Die armenischen Schönen brauchten übrigens über ihr schimpfliches Gewerbe nicht zu erröthen, denn die heirathslustigen Söhne des Landes kamen in Menge herbei, um aus den Priesterinnen der Liebe sich ihre Weiber zu wählen, und gewöhnlich war nach denen die stärkste Nachfrage, welche der Liebe am meisten geopfert hatten, da man bei ihnen mit Sicherheit annehmen durfte, daß sie auch im Ehebett mit ihren Liebkosungen nicht kargen würden.
Die Phönizier verehrten die Göttin der Liebe unter dem Namen Astarte und hatten ihr prächtige Tempel gebaut, welche sowohl wegen ihrer Pracht berühmt, als durch die darin gefeierten Liebesfeste berüchtigt waren. Dieselben wurden zu nächtlicher Weile in den Tempeln abgehalten und es war Sitte, daß die Männer in Frauenkleidern, und die Frauen in Männertracht erschienen.
Von den Priestern geleitet und angewiesen, wurden hier bei dem Schalle musikalischer Instrumente Ausschweifungen verübt, welche näher zu bezeichnen das Sittlichkeitsgefühl sich sträubt.
Zwanzig Tempel waren auf der Insel Cypern dem Venusdienste erbaut und geweiht, in denen die Prostitution ihre höchste Ausbildung erreichte. Die berühmtesten dieser Tempel haben in den Städten Paphos und Amathus gestanden. Und doch müssen die Jungfrauen von Cypern vorher keusch gelebt haben, denn als die Venus von dem Schaume der Meereswogen an das Ufer gespült wurde, verachteten die Weiber und Mädchen der Insel die nackte Göttin. Hierüber erzürnt, befahl ihnen diese zur Sühne des schlechten Empfanges, den sie erfahren, jedem ankommenden fremden Manne sich anzubieten; allein sie gehorchten dem Gebote der Göttin nicht und wurden zur Strafe dafür von derselben in Steine verwandelt. So lautete eine alte Sage und die späteren Töchter der Insel machten sich dieselbe zu Nutze und opferten in der von der Göttin verlangten Weise ihre Keuschheit, um dem Schicksale zu entgehen, das ihre Schwestern betroffen. Abends lustwandelten sie am Meeresufer und gingen den auf der Insel ankommenden Fremden entgegen. Ohne Unterschied des Standes ergaben die schönen Cyperinnen sich diesem Gewerbe und sammelten aus dem Ertrage desselben sich eine Mitgift für ihre künftigen Männer, welche diese ohne Erröthen annahmen.
Es ist natürlich, daß diese Gewohnheit der jungen Schönen, sowie die üppigen Feste, welche in den Venustempeln gefeiert wurden, Verehrer und Anbeter nach der Insel zogen, welche als ein großes Freudenhaus zu betrachten war. In dem berühmten Heiligthum der Liebesgöttin zu Paphos soll die Geliebte des Königs Cinyras sich einen so ausgezeichneten Ruf und so großes Ansehen in der Kunst der Liebe erworben haben, daß ihr auf Wunsch der Liebesgöttin der Namen Cypres beigelegt und sie selbst als Göttin der Liebe verehrt wurde.
In den dunklen, geheiligten Hainen, welche den Tempel in weitem Umkreise umgaben, wurden die geheimsten Mysterien vorgenommen, deren Beschreibung die Wohlanständigkeit verbietet.
Von dieser Insel aus verbreitete sich der Venusdienst nach allen Gegenden, mit welchen die Phönizier ihren ausgedehnten Handel trieben, und jedes Volk, welches den Venusdienst in seinen Cultus aufnahm, fügte aus seinen Sitten und Gewohnheiten das hinzu, was sich uns als Eigenthümlichkeit in den Venustempeln der einzelnen Völker repräsentirt.
So hatte man auf karthagischem Gebiete, auf den Höhen im Angesichte des Meeres, eine große Menge Venustempel erbaut, welche weithin sichtbar waren, und den ermüdeten Seemännern, welche mit ihrem Schiffe sich dem Strande näherten, Vergnügen und Erholung für ihre mühevollen Arbeiten versprachen. In großer Anzahl begaben sich die Karthagenserinnen in diese Venustempel und kehrten erst dann nach Karthago zurück, wenn sie sich zu verheirathen gedachten.
Diese Prostitution, welche im Anfange nur zu Nutzen der Seefahrer längs der Küste sich gebildet, war ursprünglich zur gastlichen zu rechnen, und erst habsüchtige Priester bemächtigten sich der Sache, indem sie das Laster heiligten und den Schleier der Religion darüber deckten, und so den Nutzen, den früher die Mädchen selbst von ihrem Gewerbe hatten,
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