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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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aus dessen Augen Sonnen blitzen, und der Wurm, der sich durch den Staub krümmt und windet, sie werden von ihnen belebt, und besonders ist es eine Beziehung der organisirten Wesen, in welcher wir sie am deutlichsten ausgesprochen und am augenfälligsten thätig finden – in der Beziehung der Geschlechter.
    Das Geschlecht beginnt mit der niedrigsten Form der belebten Wesen und zeigt eine je größere Entwickelung und Durchgeistigung, je höher das Geschöpf auf der Stufe irdischen Daseins steht. Der Mensch ist das höchstorganisirte Wesen unseres Erdballes; darum sind seine geschlechtlichen Verhältnisse am weitesten ausgebildet und entwickelt, und Zuneigung und Anziehung, Abneigung und Abstoßung äußeren in der menschlichen Gesellschaft ihre Macht in einer Weise, welche sich der Beobachtung am klarsten darstellt.
     
    »Liebe, Rausch und Jugend sind
    Gleich drei schönen Frühlingstagen;
    Statt um ihre Flucht zu klagen,
    Herz, genieße sie geschwind.
    Herz, genieße sie geschwind,
    Statt um ihre Flucht zu klagen;
    Gleich drei schönen Frühlingstagen
    Liebe, Rausch und Jugend sind!«
     
    So besingt der Dichter die Flüchtigkeit der Liebe; aber Derjenige, welcher sich vornimmt, den Gegenstand mit philosophischem Auge zu betrachten und mit philosophischem Sinn zu erwägen, wird sich wohl meist einen andern Standpunkt auswählen. Ihm erscheint es oberflächlich und ungenügend, das Liebesgefühl als einen berauschenden Trunk aus dem Becher, welchen Jugend und Schönheit dem Sterblichen darbieten, anzusehen; er findet vielmehr, daß damit nur die sinnliche Seite der Liebe getroffen sei und ihr inneres Wesen sich in diesem Bilde nicht darstelle, sondern einer ganz anderen und unfassenderen Feststellung bedürfe.
    Nach Hegel ist die Liebe »das Bewußtsein einer Einheit mit einem Andern,« und nach demselben Philosophen ist »die sich empfindende Einheit des Geistes, die Liebe, die Bestimmung der Familie, in der die einzelnen Mitglieder sind. Die Ehe ist die rechtliche und sittliche Existenz und Vergeistigung der Liebe.« An einer Stelle im Platon wird die Liebe bedeutend einfacher und zutreffender bezeichnet »als der Wunsch nach der genauesten und innigsten Vereinigung mit dem geliebten Gegenstand.« Aristoteles nennt Lieben: »daß wir für Jemand das wollen, was er für gut hält, und zwar nicht unsertwegen, sondern seinetwegen,« wobei also die Selbstliebe als Motiv ganz unberücksichtigt bleibt. Der Philosoph Leibnitz versteht unter der Liebe »die Empfänglichkeit für die eigene Freude an der Vollkommenheit, dem Wohle oder dem Glücke des geliebten Gegenstandes,« eine Definition, die auf jede Art von Liebe allerdings paßt, aber ihre Unterschiede nicht berücksichtigt. Was Leibnitz über die Liebe sagt, würde, auf die Geschlechtsliebe angewandt, eine Folgerung gegen die Flüchtigkeit derselben als Characterzug ergeben und vielmehr umgekehrt ihr unzerstörbares, dauerndes Wesen zu verbürgen scheinen, denn ein empfängliches Freudegefühl für Wohl oder Glück des geliebten Gegenstandes läßt sich offenbar in jedem Lebensalter feststellen, wenn anders die Disposition des Gemüthes überhaupt dafür vorhanden ist. Der Urahn einer Enkelschaar begegnet sich darin mit dem jüngsten Liebespaar, das sich mit zärtlichen Blicken betrachtet.
    Bemerken wir über unsern Gegenstand noch ein Wort eines unserer   modernen Schriftsteller, des Franzosen Michelet, der sich in der Einleitung zu seinem berühmten Buche L’amour folgendermaßen ausspricht: »Ein anderer wesentlicher Punkt ist, daß die Liebe nicht, wie man sagt oder zu verstehen geben will, eine Krisis, ein Drama in einem Acte darstellt. Wenn die Liebe weiter nichts wäre als dies, so würde ein so flüchtiger Vorgang kaum der Aufmerksamkeit werth sein. Wir hätten in ihr dann eine jener oberflächlichen Erkrankungen zu erblicken, welche man mit so wenig Umständen wie möglich loszuwerden sucht.
    Aber zu unserm großen Glück ist die Liebe (und ich verstehe darunter die treue und auf einen Gegenstand gerichtete Liebe) eine zuweilen langdauernde Aufeinanderfolge von sehr verschiedenen leidenschaftlichen Gemüthsbewegungen, welche das Leben unterhalten und erneuern. Verlassen wir die blasirten Klassen der Bevölkerung, welche Tragödien und plötzlich eintretende Wechsel nöthig haben, so sehen wir die Liebe sich als eine und dieselbe fortsetzen, oft ein ganzes Leben hindurch, mit verschiedenen Stärkegraden, mit äußeren Veränderungen, welche aber das

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