Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
mächtige Nation zu Grunde gehen sehen an ihren Ausschweifungen, müssen wir einen Blick auf ein eigenthümliches Laster werfen, welches gerade die Griechen characterisirte; wir meinen die Päderastie.
Unbegreiflich scheint es dem zartfühlenden Menschen, daß der Mann sich zum Manne neigen könne, um Befriedigung seiner sinnlichen Leidenschaften zu suchen und zu finden.
Päderast bedeutet in der griechischen Sprache Knabenliebhaber, Knabenschänder; Päderastie, Knabenschändung, unnatürliche Unzucht.
Die Bedeutung dieser Worte enthüllt uns hinreichend die Mysterien des Lasters, welches durch den großen Umfang, in welchem es bei den Griechen geübt wurde, unter dem Namen der griechischen Knabenliebe in weiteren Kreisen bekannt ist.
Doch nicht allein zum zarten Knaben fühlt sich der Päderast hingezogen, auch auf erwachsene Jünglinge wirft er sein lüsternes Auge, besonders wenn ihre Formen lieblich sind und ihr Aussehen ein mehr weibliches ist.
Die Entstehung dieses Lasters verpflanzt sich bis in die ältesten Zeiten und auf der Insel Kreta war es sogar durch ein Gesetz gebilligt, um einer drohenden Uebervölkerung vorzubeugen.
Den Griechen schien die Ausübung der Knabenliebe hinreichend sanctionirt durch die Beispiele, welche man von ihren Gottheiten erzählte, die sämmtlich in Verhältnissen zu einander gestanden haben sollten, welche auf diese Art Liebe hindeuteten. Darauf Bezug nehmend, scheuten sich die Größten und Vornehmsten des Volkes nicht, jenes widernatürliche Verbrechen zu cultiviren. Selbst Sokrates, der berühmte Philosoph, wird in den Annalen der Päderastie stets als einer von Denen genannt werden, welche sich durch ihre Hinneigung zu dieser widerwärtigen Ausübung des Geschlechtsactes hervorgethan haben.
Da wir gerade von der Entartung des männlichen Geschlechtes in Bezug auf die unnatürliche Befriedigung seiner sinnlichen Liebe sprechen, so wird es am Platze sein, bei dieser Gelegenheit eines anderen Lasters zu erwähnen, welches unter dem Namen der lesbischen Liebe bekannt ist und ein würdiges Seitenstück zur Päderastie bildet.
Wie der Päderast in viehisch entarteter Neigung sich dem Manne zuwendet, so neigt sich das Weib, welches des lesbischen Liebe huldigt, in roher Lust zum Weibe, um hier ihre unnatürlichen Triebe zu befriedigen. Man nennt diese ausgearteten weiblichen Personen auch Tribaden (von tribas d.h. reiben).
Ob es wahr ist, das dieses Laster auf der Insel Lesbos entstanden, darüber herrschen verschiedene Meinungen; so viel steht indeß fest, daß die Dichterin Sappho, welche um das Jahr 600 v. Christi auf Lesbos lebte, ebenso berüchtigt geworden ist durch die unnatürliche Liebe zu ihrem Geschlechte, als sie berühmt wurde durch ihr poetisches Talent. Nach dem Tode ihres Gatten entsagte sie zwar der Ehe, aber nicht der Liebe; selbst in ihren zärtlich schmachtenden Versen verräth sich die Leidenschaft einer Tribade.
Die alten Gelehrten und Philosophen haben sonderbare Ideen über die Ursache der beiden genannten Laster zu Tage gefördert. So meinte Parmenides unter andern, jene weibischen Wesen enständen? schon durch die Zeugung selbst und zwar dadurch, daß eines der beiden Geschlechter thätiger sei, wodurch sich die Theile beider nicht gehörig vermischten; so entständen Nachkommen, welche in der Folge den Ungang mit ihrem eigenen Geschlechte suchten, gleichsam um sich zu ergänzen. Nach seiner Ansicht suchten die weiblichen Männer andere Männer auf, um sich männlicher zu machen; die männlichen Weiber aber näherten sich andern Weibern, um das ihnen Fehlende durch diese zu ersetzen.
Wir werden später dieses Thema noch eingehender besprechen und durch Beispiele beweisen, daß nicht allein die Laster der Päderastie und der lesbischen Liebe sich bis auf unsere Zeit erhalten haben, sondern daß dieselben auch heute noch ihre gelehrten Vertheidiger finden.
In den ersten Zeiten nach Solon waren die Buhlerinnen den Sitten nicht mehr sehr gefährlich und es wurde lange für schimpflich gehalten, die Wohnungen der öffentlichen Dirnen zu besuchen. Als jedoch nach und nach die Nation sich zu Glanz und Wohlstand emporgeschwungen, als von den besiegten Völkern die Tribute in ihre öffentlichen Kassen flossen, verschwendete man Millionen, um die Wohnungen der Götter, die öffentlichen Plätze, die Theater und Schulen mit den Werken der Kunst zu schmücken, und mit dem immer mehr und mehr um sich greifenden Hang zum Luxus, welchem eine ausgebildete
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