Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
kennt und auch die klare Region des Daseins ihm in allen Umständen zusagt, so strebt er in das Geheimniß zurück und sucht höhere Erscheinungen, die ihm entgegentreten. Und wie die Poesie Dryaden und Hamadryaden schafft, über denen höhere Geister ihr Wesen treiben, so erzeugt die Theologie Dämonen, welche sie so lange einander unterordnet, bis sie zuletzt sämmtlich von einem Geiste abhängig gedacht werden.
    Diese Epoche dürfen wir die heilige nennen; sie gehört im höchsten Sinne der Vernunft an, kann sich aber nicht lange rein erhalten und muß, weil sie denn doch zu ihrem Behuf den Volksglauben aufstutzt, ohne Poesie zu sein, weil sie das Wunderbarste ausspricht und ihm objective Giltigkeit verleiht, endlich dem Verstand verdächtig werden. Dieser, in seiner größten Energie und Reinheit, verehrt die Uranfänge, erfreut sich am poetischen Volksglauben und schätzt das edle Menschenbedürfniß, ein Oberstes anzuerkennen. Allein der Verständige strebt, alles Denkbare seiner Klarheit anzueignen und selbst die geheimnißvollsten Erscheinungen faßlich aufzulösen. Volks- und Priesterglaube wird daher keineswegs verworfen, aber hinter demselben ein Begreifliches, Löbliches, Nützliches angenommen, für Alles eine Bedeutung gesucht, das Besondere in’s Allgemeine verwandelt und aus allem Nationalen, Provinzialen und Individualen etwas des Menschheit überhaupt Zuständiges hergeleitet. Dieser Epoche kann man ein edles, reines, kluges Bestreben nicht absprechen; sie genügt aber mehr dem einzelnen, wohlbegabten Menschen, als ganzen Völkern.
    Denn wie sich diese Sinnesart verbreitet, folgt sogleich die letzte Epoche, welche wir die prosaische nennen dürfen, da sie nicht etwa den Gehalt der früheren humanisiren und dem reinen Menschenverstande und Hausgebrauche aneignen möchte, sondern das Aelteste in der Gestalt des gemeinen Tages zieht und auf diese Weise Urgefühle, Volks- und Priesterglauben, ja den Glauben des Verstandes, welcher selbst hinter dem Seltsamen noch einen löblichen Zusammenhang vermuthet, völlig zerstört.
    Diese Epoche kann nicht lange dauern. Das Menschenbedürfniß, durch Weltschicksale aufgeregt, überspringt rückwärts die verständige Leitung, vermischt Volks-, Priester- und Urglauben, klammert sich bald da, bald dort an Ueberlieferungen, versenkt sich in Geheimnisse, setzt Mährchen an Stelle der Poesie und erhebt sie zu Glaubensartikeln. Anstatt verständig zu belehren und ruhig einzuwirken, streut man unwillkürlich Samen und Unkraut zugleich nach allen Seiten; kein Mittelpunkt, auf den hingeschaut werde, ist mehr zu sehen, jeder Einzelne tritt als Lehrer und Führer hervor und giebt seine vollkommene Thorheit für ein vollendetes Ganze.
    Und so wird denn auch der Werth eines jeden Geheimnisses zerstört   und der Volksglaube selbst entweiht. Eigenschaften, die sich vorher naturgemäß auseinander entwickelten, arbeiten wie streitende Kräfte gegen einander, und so ist das »Tohu wa bohu«, das »Finster auf der Tiefe« wieder da, aber nicht das erste, befruchtende, gebärende, sondern ein absterbendes, in Verwesung übergehendes, aus dem der Geist Gottes kaum selbst eine ihm würdige Welt abermals erschaffen könnte, wenn er nicht Liebe wäre.
    Diese Geistesepochen der Menschheit wiederholen sich; eine baut sich auf der andern auf, und eine entwickelt sich aus der andern, aber jede Wiederholung beginnt auf einer höheren Stufe und arbeitet mit fortgeschrittenen und entwickelteren Kräften, als ihre Urepoche, und daher bemerken wir trotz der Gleichheit, trotz des einen stets hervortretenden Grundgedankens der Entwickelung, eine mit jedem Zeitalter reichere und mehr hervortretende Vielfältigkeit der geschichtlichen Erscheinungen.
    Ein Morgenroth leuchtet noch heut über alle Völker, denn der Abend der einen Nation ist der Morgen der andern, aber das erste Morgenroth der Menschheit hat sich längst in hellen Tag verwandelt. Es begann, als der Begriff des Schönen sich anfing zu entwickeln und die Kunst ihre Schwingen entfaltete, um die Härten der Menschheit zu mildern und dem siegreichen Geiste die Bahnen zu eröffnen, auf welchen er später seine staunenswerthen Triumphe über die rohen physischen Kräfte feiern sollte.
    Daß die Entwickelung von Kunst und Wissenschaft ihren Einfluß auf die physische Liebe äußerte, wurde schon im letzten Abschnitte bemerkt, und wir müssen hier vor allen Dingen unser Augenmerk auf das Volk der Griechen und diejenigen Nationen richten,

Weitere Kostenlose Bücher