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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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litt und deshalb vorsichtig mit reizbaren Sachen sein mußte, beugte sie sich zur Hulen und fragte leise: »Viel Pfeffer?«, worauf diese antwortete: »Nein, liebe Zunz, englisch Gewürz.« Diese beruhigende Erklärung schien von der Alten richtig verstanden zu werden, denn sie nahm ausgiebig von der Schüssel, die sie noch in Händen hielt. Dem ausbrechenden Streit der Gegner aber war glücklich gesteuert. Bald darauf wurde aufgestanden, und nachdem sich, mit Ausnahme von Klemm und Schimmelpenning, alles die Hände gedrückt und eine gesegnete Mahlzeit gewünscht hatte, begab man sich paarweise in Lewins Zimmer, wo nun Punsch und Krausgebackenes herumgereicht wurde.
    »Und nun, liebe Laacke, singen Sie uns was; aber nichts Trauriges, nicht wahr, Ulrikchen, nichts Trauriges?« Ulrike stimmte bei, worauf Mamsell Laacke bemerkte, daß sie nichts Trauriges singen wolle, aber auch nichts Heiteres. Das Heitere widerstände ihr, weil es flach und unbedeutend sei; sie liebe das Gefühlvolle, und man solle immer nur das singen, was der eigenen Natur entspräche. Denn »in unserer Stimme ruht unser Herz«.
    Es wurden nun Lewins Noten einer wiederholten Durchsuchung unterworfen, bis endlich ein paar Opernarien gefunden waren, in denen der vielgerühmte Tenor des Herrn Ziebold mitwirken konnte. Mamsell Laacke überreichte ihm ein himmelblau broschiertes Heft, auf dessen Titelblatt zu lesen stand: »Fanchon, das Leiermädchen, von Friedrich Heinrich Himmel, Klavierauszug, Akt II«; darunter ein Bildnis Fanchons, kurzärmlig, mit Kopftuch und einer Art Mandoline in der Hand.
    Nichts konnte, alles in allem erwogen, willkommener sein als das. Ein Duett hat immer etwas von dem Reize einer dramatischen Szene. Die Laacke intonierte und begann, während Herr Ziebold seine Linke auf die niedrige Stuhllehne legte:
    In heitrer Abendsonne Strahlen,
    Dort, wo die Alpenrose keimt,
    Laß ich die liebe Hütte malen,
    Wo meine Kindheit ich verträumt.
    Daß eine Grille nie dich lenke,
    Die nur gemeine Seelen kränkt;
    Entehren jemals die Geschenke
    Von dem, der uns sein Herz geschenkt?
    Nachdem diese letzte Zeile nicht nur dreimal wiederholt, sondern seitens der gefühlvollen Laacke auch mit besonderem Nachdruck vorgetragen worden war, fiel der Tenor Ziebolds ein, und beide sangen nun die Schlußstrophe:
    Die Liebe teilet unbefangen,
    Was einem nur das Glück beschied,
    Und zwischen Geben und Empfangen
    Macht Liebe keinen Unterschied.
    Ziebold hatte von alter Zeit her eine Force im Tremulando und erzielte damit auch heute eine solche Wirkung, daß die bis dahin kühle Stimmung umschlug und die Gefühle allgemeiner Menschenliebe wenigstens momentan zum Durchbruch kamen. Der Abend war jetzt entschieden auf seiner Höhe. Frau Hulen empfand dies und schlug deshalb unverzüglich eine Wanderpolonaise vor, die denn auch, durch alle Zimmer hin, unter geschickter Umkreisung des stehengebliebenen Eßtisches ausgeführt wurde. Zum Schluß aber spielte die Laacke zu hastig und ließ absichtlich einige Takte aus. »Bin ich eingeladen, um auf diesem Klimperkasten dieser froschäugigen Mamsell Ulrike zum Tanze aufzuspielen?« So drängten sich die Fragen, und der letzte Moment des Festes war wieder ein Mißakkord.
    Eine Viertelstunde später gingen die Paare nach verschiedenen Seiten hin die Klosterstraße hinunter, die Ziebolds links, auf den Hohen Steinweg zu.
    »Das ist nun das letztemal gewesen«, sagte Frau Ziebold; »du bringst mich nicht mehr hin. Ich habe nicht Lust, mit Mamsell Laacke auf demselben Sofa zu sitzen. Und dies alberne Ding, die Ulrike! Sah mich an, als hätte sie mich noch nie gesehen; ich glaube gar, sie dachte, daß ich sie zuerst grüßen sollte. Und wie steht es denn? Sie hilft uns nicht, aber wir helfen ihr. Das gelbe Mohrkleid und die Zuckerzange lagern nun schon in die zehnte Woche.« Hier hielt die Sprecherin, denn die Luft ging scharf, einen Augenblick inne, um Atem zu schöpfen. Dann aber fuhr sie fort: »Und nun gar diese Mannsbilder! Ich weiß wirklich nicht, wer unausstehlicher ist, dieser Klemm, der nur drei Stücke auf seiner Leier hat, oder dieser Schimmelpenning, der aussieht, als habe er die Gerechtigkeit erfunden.«
    Ziebold lachte und sagte: »Du vergißt Grünebergen; war er nicht dein Tischnachbar?«
    »Freilich war er das; aber glaubst du, daß er ein Wort mit mir gesprochen hätte? Und warum nicht? Weil er ein alter Narr ist und immer das liebe Töchterchen angafft und auf den Prinzen wartet, der sie mit einer

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