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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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gegen Mittag ihren höchsten Stand beinahe erreicht hatte, sah sie scharf an dem Nikolaikirchturm vorbei in Kathinkas Zimmer hinein. Es war ein so blendendes, in steiler Schrägung einfallendes Licht, daß das grüne Rouleau bis zur Hälfte des hohen Fensters hatte herabgelassen werden müssen, aber auch jetzt noch hatte jeder Gegenstand eine volle Beleuchtung, und diese war es, die samt den mit frischen Hyazinthen besetzten Blumentischen den anheimelnden Eindruck unterstützte, den das sorglich gehaltene Zimmer zu jeder Zeit zu machen pflegte. Einiges in seiner Einrichtung war während der letzten zwei, drei Tage geändert worden. Vor dem Sofa, auf dem an jenem Abende, wo die Lehniner Partie verabredet worden war, die alte Exzellenz gethront und nach anfänglicher Kriegführung mit beinahe jedem Mitgliede der Gesellschaft schließlich ihren Frieden mit allen geschlossen hatte, fehlte heute der runde Tisch, über den hin damals der Streit der Meinungen gegangen war, und nur ein großer Teppich lag statt dessen an ebendieser Stelle ausgebreitet, ein Musterstück Brüsseler Weberei, auf dem Frau Venus mit ihrem Taubengespann durch die Lüfte zog. Es war derselbe Teppich, dessen durch Farbenpracht ausgezeichnetes Bild unsren Freund Lewin auf seiner Weihnachtsfahrt nach Hohen-Vietz, wo wir zuerst seine Bekanntschaft machten, bis in seine Träume hinein begleitet hatte. Denn sein letzter Besuch an jenem Tage hatte dem Ladalinskischen Hause gegolten.
    Das lag nun einen Monat zurück, und heute war es das Auge Kathinkas, das sich vom Sofa her auf dieses Teppichbild richtete. Aber sie sah es, ohne es zu sehen, denn vor ihrer Seele standen andere Bilder, bunt und lachend, und doch ein tiefer Schatten darüber hin. Was war es, das diesen Schatten warf?
    Es schien, daß jemand von ihr erwartet wurde, wenigstens horchte sie von Zeit zu Zeit nach der Türe hinüber. Aber es blieb still, und in wachsender Unruhe erhob sie sich endlich und schritt auf die Blumentische, dann auf den Stehspiegel zu, um das eine oder andere an ihrem Anzuge zu ändern. Es war eine Morgentoilette, ähnlich jener, die sie am Tage ihrer Rückkehr aus Guse während ihres Gesprächs mit dem Vater getragen hatte: ein weißbordierter, dunkler Morgenrock mit Pelerine und großen, birnenförmigen Schnurösen, die in weiße Perlmutterknöpfe einhakten. Niemand würde das Geringste an ihrer Erscheinung vermißt haben, nur sie selber schien nicht zufrieden, ordnete ihr Haar immer wieder und wechselte mit dem Musselintuch, das sie leicht geknüpft um den Hals trug. Dann ging sie wieder auf das Sofa zu, warf sich in die eine Ecke desselben und legte den Fuß auf ein Taburett, das sie schon vorher auf den Teppich gestellt hatte. In der Ecke lag ein Buch. Sie schlug es auf und versuchte zu lesen; aber umsonst, sie konnte ihre Aufmerksamkeit nicht zwingen.
    In diesem Augenblicke trat der Graf unangemeldet ein, und sie zog den Fuß von dem Kissen, ohne sonst ihre Haltung zu ändern. Es schien, daß sie sich an demselben Morgen schon gesprochen hatten; kein Wort der Begrüßung wurde laut. Er trat an sie heran und küßte ihr die Hand.
    »Und was bringst du?« fragte sie mit wiedergewonnener Ruhe.
    »Die Entscheidung.«
    »So sprich, erzähle«, fuhr sie fort, während sie mit dem Zeigefinger auf die Fingerspitzen ihrer linken Hand tupfte. »Ich weiß alles und will es doch von dir hören. Wie verlief es? Ich hoffe, daß dich nichts verletzt hat, kein Wort, keine Miene.«
    »Nein«, antwortete der Graf, indem er sich auf das Taburett setzte und Kathinkas Hand in seine Linke nahm. »Er hörte mich ruhig an. Als ich geendet, legte er das Elfenbeinmesser, mit dem er nach seiner Gewohnheit spielte, beiseite und sagte, ich glaube wörtlich: ›Ich bin nicht überrascht, Graf; ich habe diesen Antrag erwartet, offengestanden gefürchtet. Sie wissen ohne Versicherung, daß sich diese Bemerkung nicht gegen Ihre Person richtet. Ihnen den vollkommensten Beweis davon zu geben, wäre leicht, wenn ich nicht Punkte dabei berühren und Bedingungen stellen müßte, die Sie nach einer andern Seite hin verletzen und Ihre Zustimmung nie finden würden.‹«
    Kathinka lächelte.
    »Das alte Lied«, sagte sie.
    »Ja«, fuhr Bninski fort, »er will mit Polen, mit unserem Lande, ein für allemal gebrochen haben, und daß ich es kurz mache, er schloß damit, daß eine Verbindung zwischen uns aus zwei Gründen untunlich und, wie er glaube, unmöglich sei: des Hofes halber und seiner Erinnerungen

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