Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
völlig einsames Gebäude gekommen, das zwischen Kiefern und Laubholz hindurch auf den hier plötzlich wieder sichtbar werdenden See sah. Ich erfuhr, daß ein Herr von Bonseri dies Mausoleum (denn ein solches war es) errichtet habe, war aber unaufmerksam auf alles Weitre, weil die Schönheit des Schermützel und seiner Dörfer mich ausschließlich zu fesseln begann. Das nach rechts hin gelegene mußte Saarow sein. Ich erkannte deutlich das hohe rote Herrenhausdach, das über die Wirtschaftsgebäude wegragte, während ihm gegenüber, alles Pappelgestrüpps unerachtet, der kleine Pieskower Kirchturm immer deutlicher hervortrat.
Beide Dörfer lockten mich, das eine wie das andere, da das Fuhrwerk aber geschont werden mußte, so beriet ich mit Moll und proponierte, daß er mit den Pferden unmittelbar auf das an unsrer eigentlichen Reiselinie gelegene Pieskow fahren solle, während ich meinerseits erst nach Saarow marschieren und von dort aus in einem kleinen »Seelenverkäufer« über den See herüberkommen wolle. Das fand denn auch seine Zustimmung, wie jede den Weg kürzende Proposition, und während er sofort auf einem Schlängelwege bergab und auf die linke Schermützel-Seite zufuhr, hielt ich mich rechts, um auf einem am See hinlaufenden Wiesenpfade bis an den Fahrdamm und demnächst auf die große Saarower Dorfstraße zu kommen.
Es war ein wundervoller Weg; über dem blauen Wasser wölbte sich der blauere Himmel, und zwischen den spärlichen Binsen, die das Ufer hier einfaßten, hing ein ebenso spärlicher Schaum, der in dem scharfen Ostwinde beständig hin und her zitterte. Holz und Borkestücke lagen über den Weg hin zerstreut, andre dagegen tanzten noch auf dem flimmernden See, der im übrigen, all diesem Flimmern und Schimmern zum Trotz, einen tiefen Ernst und nur Einsamkeit und Stille zeigte. Nirgends ein Fischerboot, das Netze zog oder Reusen steckte, ja kaum ein Vogel, der über die Fläche hinflog. Oft hielt ich an, um zu horchen, aber die Stille blieb, und ich hörte nichts als den Windzug in den Binsen und das leise Klatschen der Wellen.
Und endlich auch die Schläge, die vom Pieskower Turm her zu mir herüberklangen. Ich zählte zwölf, es war also Mittag, und ehe der letzte noch ausgesummt hatte, war ich auch schon bis an die Stelle heran, wo mein Fußweg in die vorerwähnte Saarower Dorfgasse mündete.
Dicht am Eingange saß ein Mütterchen auf einem Strauch- und Reisigbündel, das sie sich aus der Heide geholt, und grüßte mich. Alte Weiber sollen kein Glück bringen, aber wenn sie freundlich sind und einem einen »Guten Tag« bieten, so hat es mit der ganzen Jägerweisheit nicht viel auf sich. Und so blieb ich denn auch stehen und sagte: »Na, Mutterchen, is wohl ein bißchen schwer? Und die Sonne sticht heut so. Sie müssen die Kinder in den Wald schicken. Oder haben Sie keine?«
»Woll, Kinner hebb ick un Enkelkinner ook. Awers se wulln joa nich. Un se künn’ ook nich. Se möten joa all in de School.«
»Ja, ja. Alles muß in die Schule. Haben Sie denn auch ‘ne Kirche in Saarow?«
»Nei. Wi möten nach Reichenwald.«
»Richtig. Ich erinnere mich. Das ist da, wo sie den alten Rittmeister begraben haben. Haben Sie den noch gekannt?«
»O wat wihr ick nich? He wihr joa so in mine Joahr. Woll hebb ick em kennt.«
»Und wie war er denn?«
»Na, he wihr joa sowiet janz goot. Bloot man en beeten schnaaksch un wunnerlich un ok woll en beeten to sihr för de Fruenslüd. Awers nu is he joa dod.«
»Und hat wohl ein Denkmal? Ich meine so was von Stein oder Eisen. Eine Figur oder einen Engel mit ‘nem Spruch oder Gesangbuchvers.«
»Nei. För so wat wihr he nich.«
»Und is sonst noch was in Saarow zu sehn?«
»Ick glöw nich. Veel is hier nich in Saarow. En nijen Kohstall…«
»Aber drüben in Pieskow?«
»Joa, in Pieskow. O woll, versteiht sich. In Pieskow, da möt wat sinn.«
»Na, dann werd ich mal sehn. Ich dank auch schön, Mutterchen.« Und damit ging ich weiter in das Dorf hinein.
Wirklich, in Saarow war nicht viel, und als ich mich genugsam davon überzeugt hatte, hielt ich mich auf den See zu, wo nach meiner Meinung eine Fähre sein mußte. Nach einigem Suchen sah ich ein angeketteltes Boot liegen und dicht daneben ein Häuschen, an das drei, vier Ruder angelehnt waren. Also hier war es mutmaßlich. Ich trat denn auch ein und fand eine Frau, die sich, auf eine Stuhllehne gestützt, von hinten her über ihren etwa zwölfjährigen Jungen bog und ein Exempel mit ihm rechnete,
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