Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
erinnerte, jenen alten Druidenplatz in der Nähe von Salisbury, den man in Kunstatlassen und illustrierten Architekturgeschichten abgebildet findet. Im Quadrat standen vier Steinbänke, dazwischen präsentierte sich ein großer, runder Steintisch, alles aus dem Granitstück gefertigt, das man von dem Stein unten abgesprengt hatte.
Der Wagenplatz, auf dem ich saß, war höher als das Steinmobiliar und gönnte mir einen freieren Umblick. Alles in der Welt aber hat sein Gesetz, und wer auf der »Schönen Aussicht« ist, hat nun mal die Pflicht, sich auf den Steintisch zu stellen, um von ihm aus, und nur von ihm aus, die Landschaft zu mustern. Und so tat ich denn, wie mir geboten, und genoß auch von diesem niedrigeren Standpunkt aus eines immer noch entzückenden Rundblicks, ein weitgespanntes Panorama. Die Dürftigkeiten verschwanden, alles Hübsche drängte sich zusammen, und nach Westen hin traten die Türme Berlins aus einem Nebelschleier hervor.
Aber mehr als die Fernsicht interessierte mich, was in verhältnismäßiger Nähe gelegen war, und ich rief Moll, auf daß er mir die Namen der bunt umhergestreuten Ortschaften nenne.
»Da der Turm, hier hinter dem rauenschen«, hob er ciceronehaft an, »is der von Markgrafpiesk, und der hier unten, über die Pieskesche Heide weg, das ist der von Schermeuselpiesk.«
»Ich glaube, Sie spaßen.«
»I, wie werd ich denn! Es gibt hier lauter solche Namen, un is einem orntlich ein bißchen genierlich.«
»Und hier links der Turm zwischen den zwei Pappeln?«
»Das is Pfaffendorf; na, das geht noch. Aber das andere, gleich dicht daneben, das is Sauen, und hier rechtsweg is ‘ne Kolonie von des Alten Fritzen Zeiten her und heißt Schweinebraten!«
»Aber Moll, ist es denn möglich?«
»Ach Gott, hier is alles möglich. Und warum heißt es so? Weil sie keinen haben. Und wollen sich wenigstens einen vorstellen oder dran erinnern.«
»Aber warum sich erinnern an das , was man nicht haben kann. Ich finde, das ist gegen die Lebensweisheit. Freilich, jeder hat so seine eigne. Und nun sagen Sie mir, das große Wasser hier vor uns, was ist das ?«
»Das ist der Schermützel.«
»Ah, das ist schön. Und das daneben, das sind wohl die Güter, die die Löschebrands hier hatten?«
Er bejahte.
»Nun sehen Sie, da müssen wir hin. Ich denke mir, daß ich da vielerlei finden werde: Gräber und Türkenglocken und Denkmäler und Inschriften. Und vielleicht auch einen Pfeiler mit ein paar eingemauerten Nonnen, oder ‘ne Sakristei mit ‘nem vergrabenen Schatz.«
Er lachte. »Nei, so viel finden Sie nich. Un ‘nen vergrabenen Schatz erst recht nich. Oh, du meine Güte…«
»Nun, wir wollen sehen, Moll.«
Und damit fuhren wir weiter auf den Schermützel zu.
2. Am Schermützel
Nur von dem höchsten Punkte der »Schönen Aussicht« aus hatten wir den See vor Augen gehabt, als wir nun aber, am Hügelabhange hin, ihm direkt zufuhren, verschwand er wieder und überließ mich auf eine halbe Stunde nicht nur dem mahlenden Sande, sondern auch allerhand philosophischen Betrachtungen, in denen Moll so stark war. Er sprach unter anderm eingehend über das Glücksrad und den Wechsel aller Dinge, wovon auch der Schermützel, übrigens zu seinem und der Anwohner Vorteil, ein Lied zu singen wisse. Jetzt bring er zum Beispiel 2000 Taler Pacht und werd es bald noch höher bringen, um die Zeit aber, als die Franzosen im Lande gewesen seien, sei der ganze See, der damals dem Fiskus gehört, um die Summe von 2000 Taler an einen Meistbietenden verkauft worden. Und noch dazu wie? Der Meistbietende sei nämlich ein Herr von Löschebrand auf Saarow gewesen (nicht der alte Rittmeister, der jetzt auf dem Reichenwalder Kirchhof liege, sondern sein Vater oder Großvater), ein pfiffiger alter Junker, der sich denn auch einen richtigen Junkerspaß gemacht und die ganzen 2000 Taler in lauter ihm selber aufgezwungenen Bons und Lieferungsscheinen ausgezahlt habe. Natürlich seien die Scheine von dem Beamten untersucht und nachgezählt worden, und als sich bei der Gelegenheit ergeben, daß es nur 1998 Taler seien, habe der alte Saarowsche mit einem Gesicht, als ob es ihm nicht drauf ankomme, noch zwei blanke Taler zugelegt und dabei herzlich gelacht. Und so sei denn der ganze See damals für zwei Taler oder den tausendsten Teil von dem, was er jetzt Pacht bringe, verkauft worden.
Unter solchem Geplauder waren wir, immer noch am Hügelabhange, bis an ein halb pavillon-, halb tempelartiges und zugleich
Weitere Kostenlose Bücher