Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
schmaler Streifen blieb offen, der dem Lichtstrahl von oben her einen Eingang gestattete. Geschlossene Wagen rollten über die Brücke, alles war in Dunkel und Geheimnis gehüllt; es ging »ein finstrer Geist durch dieses Haus«. Die hohen Schwarzpappeln, die alten Wächter am Portal, standen unheimlicher da denn je zuvor, und drinnen und draußen war kein Spielen und Lachen mehr. Hunderte saßen hinter den Gitterfenstern, die doch keine Fenster mehr waren, und nichts unterbrach die finstre Stille des Orts; wie das Licht, so schien auch der Klang von seinen Mauern ausgeschlossen. Eine trübe Zeit. Übermut hatte gefehlt, und Mangel an Mut hatte zu Gericht gesessen; waghalsige Schwärmerei, mißleitete Begeisterung büßten hart für den eitlen Irrtum einer Stunde.
Und wieder andre Zeiten kamen. Wie einen schweren Traum schüttelte Schloß Köpenick seine jüngste Vergangenheit ab. Die Fenster blitzten wieder, wenn die Morgensonne darauffiel, und auf dem Platze, der zwischen Schloß und Schloßkapelle liegt, entstand ein Garten. Blumen blühten wieder , und eine heitere Jugend hielt ihren Einzug. Eine heitere, denn sie kam nicht, um für Eitelkeit und Übermut über Gebühr zu büßen, sie kam, um in Demut und Bescheidenheit zu lernen. Und diese Jugend weilt noch darin. Allabendlich um die Dämmerstunde, wenn die Orgel zu Gesang und Andacht ruft und Lehrer und Schüler sich im alten Wappensaale des Schlosses versammeln, ist es wohl, als ging’ es wieder um und als husch es in den Korridoren auf und nieder, aber die leisen Klageworte des Kurprinzen, der hier Schutz und Zuflucht suchte, das Kriegsgerichtsurteil, das hier gesprochen wurde, die Seufzer derer, die hier nach Licht und Freiheit rangen – alles verklingt doch als überwundene Dissonanz in dem vollen Brausen des Orgelchors, der eben jetzt das große Vertrauenslied in die Ratschlüsse Gottes anstimmt: » Ein feste Burg ist unser Gott «.
Die Müggelsberge
Es rührt kein Blatt sich, alles schläft und träumt,
Nur jezuweilen knistert’s in den Föhren,
Die Nadel fällt – es ruht der Wald.
Scherenberg
Inmitten des quadratmeilengroßen Wald- und Inseldreiecks, das Spree und Dahme kurz vor ihrer Vereinigung bei Schloß Köpenick bilden, steigen die »Müggelsberge« beinah unvermittelt aus dem Flachland auf. Sie liegen da wie der Rumpf eines fabelhaften Wassertieres, das hier in sumpfiger Tiefe zurückblieb, als sich die großen Fluten der Vorzeit verliefen.
Die Müggelsberge sind alter historischer Grund und Boden und waren schon das »hohe Schloß« dieser Lande, lange bevor die Wendenfürsten in die Spreegegenden kamen und lange bevor sich Brennibor an der Havel erhob. In vor slawischer Zeit, in Zeiten, die noch keine Burgen kannten, waren sie die naturgebaute, wasserumgürtete Veste, die von germanischen Häuptlingen jener Epoche bewohnt wurde – der Sumpf ihr Schutz, der Wald ihr Haus.
Karl Blechen, »der Vater unsrer märkischen Landschaftsmalerei«, wie er gelegentlich genannt worden ist, hat in einem seiner bedeutendsten Bilder die Müggelsberge zu malen versucht. Und sein Versuch ist glänzend geglückt. In feinem Sinn für das Charakteristische ging er über das bloß Landschaftliche hinaus und schuf hier, in die Tradition und Sage der Müggelsberge zurückgreifend, eine historische Landschaft. Die höchste Kuppe zeigt ein Semnonenlager. Schilde und Speere sind zusammengestellt, ein Feuer flackert auf, und unter den hohen Fichtenstämmen, angeglüht von dem Dunkelrot der Flamme, lagern die germanischen Urbewohner des Landes mit einem wunderbar gelungenen Mischausdruck von Wildheit und Behagen. Wer die Müggelsberge gesehen hat, wird hierin ein richtiges und geniales Empfinden unsres Malers bewundern – er gab dieser Landschaft die Staffage, die ihr einzig gebührt. Ein Reifrock und ein Abbé in die verschnittenen Gänge eines Rokokoschlosses, eine Prozession in das Portal einer gotischen Kirche, aber ein Semnonenlager in das Waldrevier der Müggelsberge!
Ihnen gilt jetzt unser Besuch.
Wir kommen von Schloß Köpenick, haben Stadt und Vorstadt glücklich passiert und schreiten nunmehr dem Gehölze zu, das bis über die Müggelsberge hinaus das ganze Terrain bedeckt. Es ist ein Forst und eine Heide wie andere mehr; Moos und Fichtennadeln haben dem Weg eine elastische Weiche gegeben, und nur die Baumwurzeln, die grotesk überall hervorlugen und uns wie böswillige Gnomen ein Bein zu stellen suchen, mahnen zur Vorsicht. Eine rechte
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