Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
gesetzt, »um die Stimmung zu paralysieren«.
    Recht gut erinnere ich mich noch, daß ich in der Nacht, »die der Großbeerener Aktion vorherging«, nur sehr wenig und sehr schlecht geschlafen habe.
    Schon in aller Morgenfrühe des 23. stand ich auf; aber ein grauer Regenwolkenhimmel war nicht geeignet, eine heitere Stimmung in mir hervorzurufen.
    Um neun wurde mir’s endlich »zu eng im Schloß«, und ich ging die Leipziger Straße hinunter auf den Tiergarten und die Bellevuestraße zu, wo Gubitz in einer Giebelstube des Georgeschen Kaffeegartens oder »bei Georges«, wie die Berliner kurzweg sagten, eine kleine Wohnung hatte. Glücklicherweise traf ich ihn noch zu Haus, und wir machten nunmehr einen langen, langen Spaziergang, der uns auf einem Umweg endlich bis Unter die Linden führte. In dem Hause No. 46, jetzt »Viktoria-Hotel«, wohnte Freund Himmel eine Treppe hoch, zwei Treppen hoch der Kammermusikus Seidler (der spätere Gatte der berühmten Sängerin) und in der dritten der dünne Labes, der Komiker vom Hoftheater. Einigermaßen müde, wie wir waren, beschlossen wir, bei Himmel vorzusprechen, und fanden ihn denn auch mit Seidler und Labes beim Rheinwein, den der lebenslustige Kapellmeister außerordentlich liebte. Himmel war wie gewöhnlich in exaltierter Stimmung, zu der der Wein das Seinige beitrug. Auch hier bildete natürlich die bevorstehende Schlacht das Thema der Unterhaltung, und ehe wir’s uns versahen, stürzte der berühmte »Fanchon«-Komponist ins Nebenzimmer und kehrte mit zwei Pistolen zurück. »Diese für den ersten Franzosen, der mir heut ins Zimmer tritt, und diese – für mich.« Beide waren wahrscheinlich nicht geladen, die zweite gewiß nicht. Gleichviel indes, Gubitz versicherte mit Emphase: »wir würden siegen, ja sein Glaube daran sei so fest, daß er gleich eine kleine Festkantate niederschreiben wolle; Himmel solle sie komponieren – sie könne dann am andere Tage schon im Theater gesungen werden«. Und gesagt, getan. Gubitz setzte sich sofort an den Schreibtisch, und in einer halben Stunde war die kleine Dichtung fertig. Aber freilich der , der sie komponieren sollte, war nicht mehr unter den Lebenden oder doch nicht mehr unter den Zurechnungs- und Leistungsfähigen. Er schlief in einem mit einer Tüllgardine verhängten Alkoven seinen Rausch aus und zwang uns dadurch, aus der » Himmlischen Wohnung«, wie seine kleine chambre garnie damals allgemein hieß, in die triviale Wirklichkeit der Straße zurückzukehren.
    Es mochte jetzt Mittag sein oder doch nicht viel mehr, und der Weg, den ich einschlug, führte mich am Schauspielhause vorüber. Angeklebte Zettel kündigten an: »Heute zum ersten Male wiederholt: › Die deutsche Hausfrau ‹, Drama in drei Akten von Herrn von Kotzebue. Hierauf: › Das Geheimnis ‹, Operette in einem Akt von Solié.« Einer der Bureaubeamten stand in der Türe. »Wird denn heute gespielt?« fragt ich. »Ei, natürlich, der Herr Generaldirektor Iffland haben’s eigens befohlen.« Ein dumpfer Knall, dem ein zweiter und gleich darauf noch ein paar andre folgten, bezeugte, daß draußen ein blutiges Drama beginne. Vorübergehende standen wie gebannt, und der Theaterbeamte zeigte mir ein blasses Gesicht; aber doch mutmaßlich nicht blasser, als das meinige war.
    Von diesem Augenblick an kamen wir eigentlich nicht mehr zur Besinnung. Auf den Straßen lief alles durcheinander, und zu den Fenstern hinaus fragte man sich, wie’s stünde. Viele ließen sich nicht abhalten und gingen trotz des strömenden Regens bis nach Tempelhof oder doch wenigstens bis auf den Tempelhofer Berg hinaus, um dem Aktionsfeld um eine halbe Stunde näher zu sein.
    Um sieben macht ich mich auf ins Theater. Es waren mehr Leute darin, als man hätte vermuten sollen. Nur Damen fehlten. Eigentlich hatte man sich im Parterre bloß zusammengefunden, um sich gegeneinander auszusprechen, und doch wurde jede patriotische Beziehung, die in der »Deutschen Hausfrau« vorkam, lebhaft beklatscht. Die Bethmann, die die Hauptrolle gab, wußte die Pointen und Schlagwörter geschickt hervorzuheben. Auch den andern Mitspielenden: Beschort und Maurer und der anmutigen Demoiselle Fleck (nochmaligen Frau Professor Gubitz), vor allem aber der Demoiselle Döbbelin, welche eine böse Alte spielte, sah man es nicht an, daß Berlin einschließlich des Schauspielhauses sozusagen auf einem Pulverfasse stand. Am Schlusse des zweiten Akts eilt ich auf eine gute halbe Stunde hinaus, um zu sehn, ob man

Weitere Kostenlose Bücher