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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Zweifel an, besonders auch gegen die eigenen, und rang sich immer wieder zu dem schönen Glauben durch, daß sich ihr Wunsch mit dem Willen Gottes vereinige.
    Ich hatte das Glück gehabt, ihr in den letzten Monaten ihres Kaiserswerther Aufenthaltes näherzutreten, und so kam es, daß sie mich bei sich zu sehen wünschte. Sie schrieb in diesem Sinne von Siethen aus an Pastor Fliedner, und ich selbst erhielt einen Brief, aus dem ich hier folgende Stelle gebe: »Nichts ist schwerer, als in Einfalt des Herzens bleiben; es muß vor allem erbeten werden, und das wollen wir treulich füreinander tun.«
    In diesen wenigen Zeilen spricht sich ihr allereigenstes Wesen aus; sie hatte von dieser Herzenseinfalt mehr denn irgendwer, den ich kennengelernt, aber freilich zugleich auch die vollkommenste Demut und sah in sich nichts von all dem Schönen und Bevorzugten, das ihr durch Gottes Gnade so reichlich zuteil geworden war. Es war ihr eben Bedürfnis, andre Menschen höherzustellen als sich selbst und nichts lag ihr ferner als die Vorstellung, daß sie selber ein Vorbild sei.
    Ich durfte der an mich ergangenen Aufforderung folgen und traf noch zur Einweihung der Anstalt in Siethen ein. Es war zur Begründung derselben ein Müllerhaus angekauft worden, dessen Besitzer, ein streng kirchlicher Mann, einige Jahre vorher nach Amerika ausgewandert war. Alles gedieh in diesem seinem ehemaligen Heim, und als er nach einiger Zeit davon hörte, schrieb er zurück. »Wie freut es mein altes Herz, daß meine vier Wände nun die Heimstätte für so viel Gutes geworden sind.« Und er rief den ferneren Segen Gottes dafür an.
    Ich sagte, daß ich noch zur Einweihung eintraf. Diese fand im August statt. Es war ein schöner Tag, und der Geistliche sprach über die Wichtigkeit unsres Berufes und daß dieser »Beruf des Erziehens zu Gott« ein Glück und eine Ehre für uns sei. Von der Gemeinde fehlte niemand, und unter den erschienenen Gästen war auch Agnes von Scharnhorst (eine Cousine Johannas) und der Verlobte derselben, Baron von Münchhausen. Als Schlußgesang war Johannas Lieblingslied gewählt worden, und während die Kinderstimmen es intonierten, wurde sie, der es galt, tief bewegt, und sie weinte lang und schmerzlich. Gedachte sie doch, wie sie mir später in vertraulichem Gespräche mitteilte, nunmehr zurückliegender Tage, deren Schmerz sich ihr in diesem Augenblick erneuerte. Sie nahm eben Abschied von manchem, was ihr lieb gewesen, und erbat sich Kraft und Mut und Ausdauer zu dem Wege, der nun dunkel vor ihr lag.
    Aber er hellte sich auf, dieser Weg, und es kamen auf eine gute Weile, wenn auch freilich nicht auf lange genug, jene glücklichen und gesegneten Tage, die der alte Müller für uns erbeten hatte. Mutter und Tochter wetteiferten alsbald und halfen überall. Es war ein frisches, fröhliches Arbeiten, und ich konnte nach Haus und nach Kaiserswerth hin schreiben, »daß mir ein lieblich Los gefallen sei«. Wir hatten vorsorglich und ängstlich fast mit einer Kleinkinder- und Sonntagsschule begonnen, aber der Feuereifer beider Scharnhorstschen Damen konnte sich kein Genüge tun, und ehe noch viel Zeit ins Land gegangen war, war aus jenen ersten Anfängen auch schon ein Krankenhaus und bald danach auch ein Waisenhaus geworden.
    Unter den vielen Gaben, die Johanna für ihren Beruf mitbrachte, war auch die des Erzählens. Sie wußte Geschichten aller Art mit einer ihr eigentümlichen, zu Herzen gehenden Einfachheit vorzutragen und dabei jeden Ton zu treffen, am glücklichsten vielleicht den humoristischen. Es war eine Lust, ihr zuzuhören, wenn sie Grimmsche Märchen oder Glaubrechts hübsche Geschichte von Küppels Michel erzählte.
    Dieser heitre Zug, in den sich selbst ein Anflug von Ironie mischen konnte, sprach sich auch sonst noch in ihrem Wesen aus. Einmal hatt ich Urlaub in meine westfälische Heimat genommen, schrieb von dorther und erhielt alsbald einige Zeilen, in denen es hieß: »Es freut mich, daß Sie so treulich an unser kleines und einsames Siethen denken, von dem ich Sie nur noch bitte, den lieben Ihrigen kein allzu sibirisches Bild entwerfen zu wollen.« Sie kannte die komisch-falschen Vorstellungen, die man wenigstens damals noch in Süd- und Westdeutschland von der Mark Brandenburg unterhielt, und widerstand dem Anreize nicht, diese Vorstellungen zu persiflieren.
    Ja, sie hatte diesen humoristischen Zug, aber er streute doch nur ein weniges von Frohsinn und Heiterkeit über ihr Leben aus, und was sie, wenn

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