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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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wir über Feld gingen, am liebsten sah: ein weißes Mohnfeld mit ein paar roten Mohnblumen dazwischen – das war recht eigentlich sie selbst. Der Grundton ihrer Seele war elegisch und blieb es auch in ihrer glücklichsten Zeit.
    In dieser standen wir jetzt, in jenen Wochen und Monaten, die der Gründung der Anstalt unmittelbar folgten, und wie jegliches um uns her gedieh, so gedieh auch Fräulein Johanna selbst. Es erschien uns oft, als ob ihr unter immer neuer Arbeit auch neue Kräfte kämen. Sie sah frisch aus, frischer als sonst, und als nach einjähriger Tätigkeit ihr Geburtstag unter Teilnahme vieler lieber Gäste gefeiert wurde, flüsterte mir eine Nachbarin zu: »Wie blühend Johanna aussieht.« Und es war so. Freilich täuschten diese blühenden Farben und bargen recht eigentlich die Gefahr, aber noch waren wir ahnungslos, und der Tag selbst verlief uns in ungestörter Freude. Die Kinder sangen ihre Lieder, und weil Johanna selber nicht singen konnte, sagte sie scherzend: »Ich könnte böse sein, keine Stimme zu haben.« – »Ach, du willst zuviel«, antwortete ihr ihr ehemaliger Lehrer und Erzieher in liebevollem Vorwurfe. »Man muß auch nicht alles haben wollen.« So vergingen die Stunden in schöner und gehobener Heiterkeit, was ihr aber im Laufe des Tages die größte Freude gemacht hatte, das waren ein paar Spätrosen gewesen, die man ihr, für den Geburtstagstisch, von den schon überschneiten Stämmen geschnitten hatte. Denn es war der 16. November.
    Und der Winter verging, und der Frühling kam. Und als der Sommer da war, da war sie matt, so matt, daß sie, was sie sonst nicht kannte, zu klagen begann. Auch von ihrem Tode sprach sie häufiger und bestimmte, welches Lied an ihrem Grabe gesungen werden solle. So ging es durch Wochen und durch Monate hin. Aber freilich auch hoffnungsreichere Stunden kamen wieder, und als im Juli die Tante Schlabrendorf in Gröben auf ärztlichen Rat ins Wildbad reiste, gehorchte Johanna gern dem Wunsche der alten Gräfin und schloß sich ihr als Begleiterin an.
    Anfangs erhielten wir nur gute Nachrichten, sehr gute sogar, und mit einer großen und beinah kindlichen Freudigkeit sprachen ihre Briefe von ihren Erlebnissen, auch von den Auszeichnungen und Ermutigungen, die man ihr hatte zuteil werden lassen. »Und so sehen Sie denn, wieviel Liebes mir begegnet ist.« – »Aber«, so hieß es eine Woche später, »es sind auch schwere Tage für mich angebrochen; ich habe sehen müssen, wie leicht es ist, mich aus der Sammlung heraus- und in die Zerstreuung hineinzubringen, und wie lieb ich noch die Welt habe. Die dunklen Tiefen unseres Herzens können uns ordentlich erschrecken, und ist kein anderer Trost als der einzig eine, daß Er, der diese Dunkeltiefen in aller Deutlichkeit erkennt, auch so viel Geduld und Liebe hat.« Und daran reihten sich dann Worte der Sehnsucht nach Siethen und dem ihr liebgewordenen Wirkungskreise.
    Das war Anfang September. Aber schon am 6. hörten wir allerlei Beunruhigendes über ihr Befinden, und am 9. eilte Frau von Scharnhorst an das Krankenbett ihrer Tochter. Sie fand sie besser, als zu hoffen gewesen war, und ich empfing gleich danach einen Brief, der dies bestätigte: »Johanna ist noch recht schwach, aber alles Fiebers unerachtet ruhig. Meine Pflege besteht eigentlich in nichts andrem, als sie vor allem Störenden zu hüten. Ich sitze neben ihr und wehre die Fliegen und richte dann und wann ein beruhigendes Wort an sie. Bitten Sie Gott, daß er uns gnädig ist und seinen Willen tut nach seinem Rat und nicht nach unserem verkehrten Denken.«
    Und dieser Rat und Wille war, daß sie von uns genommen werden sollte. Wenige Tage nachdem dieser Brief geschrieben, stellten sich heftige Fieberphantasien ein, in denen die Kranke wunderbare Gesichte hatte; sie sah Gott und Christum und sprach mit ihnen, und nach einer dieser Erscheinungen sagte sie fest und freudig: »Und wenn du gefragt wirst, ob die Herrlichkeit des Herren wirklich so groß sei, dann sage getrost und getreulich: ja.«
    Wir aber waren daheim mit unseren Gedanken unausgesetzt um sie, geteilt zwischen Furcht und Hoffnung. Und auch am 13. Oktober abends versammelten wir uns, alt und jung, wieder in der erleuchteten Kirche zu Siethen und beteten unter vielen Tränen um Erhaltung ihres teuren Lebens. Aber um ebendiese Stunde ging ihre Seele in die ewige Heimat ein.
    Ihre Hülle wurde nach Siethen übergeführt und im Beisein vieler Hunderte von nah und fern begraben. Auch das

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